Können einander nicht helfen (v. li.): Erna (Katharina Wawrik), Merkl Franz (Robert Finster) und Kasimir (Christian Strasser).

Foto: Dietmar Tollerian

Wien – Die schönste Theaterbar des Landes liegt in der Müllnergasse 2 am Alsergrund. In Sichtweite zum traditionsreichen Schauspielhaus zog am ehemaligen Standort des International Theatre vor wenigen Monaten das Bronski & Grünberg Theater ein. Das vierköpfige Leitungsteam (Kaja Dymnicki, Julia Edtmeier, Alexander Pschill und Salka Weber) hat eine gemütliche Fifties-Höhle eingerichtet, in der Elvis-Platten herumliegen, Wasser in Kristallkrügen am Holztresen steht und an deren Wänden sich auf kleinen Pickerln Keith Richards in eine Riege von Schauspielidolen wie Mia Farrow mühelos einreiht.

Am markantesten ist aber eine Flamingotapete, die der Bar ihren Namen gibt. Die alten Möbel hat Kaja Dymnicki in einer aufgelassenen Wohnung ergattert – und sonst ist willhaben.at eine häufig kontaktierte Adresse. Das Bronski & Grünberg verfügt nämlich über keine Basisförderung, sondern finanziert sich durch Einnahmen und etwaige Projektförderungen.

Man trifft deswegen aber dort auf keine verzagten Gesichter, wie man annehmen könnte, sondern auf entspannte Theateraficionados, die sich aus purer Euphorie an eine Theatergründung herangemacht haben. Es war "impulsiv" und ging "alles sehr schnell", sagt Julia Edtmeier. Alexander Pschill (im Ensemble der Josefstadt) hatte seine Fühler schon 2013 ausgestreckt und im open space inszeniert (Das weite Land; Gefährliche Liebschaften). "Ich wollte die Mechanismen von der anderen Seite überprüfen", sagt er. Als Schauspieler sei es oft schwer, ein "Gesamtgefühl" für eine Arbeit zu bekommen. Dieses holt er sich nun.

Noch ist die Naivität nicht gewichen. Es regiert auch nach einem halben Jahr Spielbetrieb entwaffnende Entschlossenheit. Das Besondere daran: Das Bronski & Grünberg (der Name bezieht sich auf zwei Figuren aus dem Lubitsch-Klassiker Sein oder Nichtsein) agiert ohne Jammer, sollte das Projekt auch zu Ende sein. Mindestens eine weitere Spielsaison gibt man sich noch, "sehr gern auch noch viel mehr". Dazu Pschill: "Braucht Wien ein neues Theater? Keine Ahnung! Wien braucht Kindergärten und Rettungswagen, aber vermutlich kein neues Theater. Aber uns doch egal!?"

Vorläufig kann das Theater nur Schauspieler engagieren, die es sich leisten können, für Peanuts zu spielen. Wenn Martin Zauner (Josefstadt) mitmacht, so ist das ein Freundschaftsdienst. "Es wäre schön, wenn wir insbesondere die jungen Leute angemessen bezahlen könnten", so Edtmeier.

Klassikerbearbeitungen sind das Herzstück des Bronski, wobei hier Schnitzler neben dem Weißen Hai stehen kann, so Pschill. Kasimir und Karoline nach Ödön von Horváth, der jüngste Streich, hat bei der Uraufführung am Mittwoch mit feuriger Schauspielkunst überzeugt. Die Intimität des kleinen Bühnenraums, dessen Guckkastengefälle Regisseurin Katharina Schwarz mit einer Raumneuaufteilung auszuweichen wusste, offenbart Vorteile.

In einem auf Karaoke und Süßigkeiten fußenden Oktoberfest wechseln Katharina Wawrik, Christian Strasser und Robert Finster kühn die Rollen. Sie verorten ihre Figuren mühelos im Heute, ohne auf Horváths "Stille"-Gebote zu vergessen. Die "Bearbeitung" mit einer Rahmenhandlung war zwar wenig aussagekräftig, aber man geht von dannen mit der freudigen Überzeugung: Hier machen Leute ihr Ding! (Margarete Affenzeller, 13.4.2017)