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Ein irakischer Soldat vor der IS-Fahne in Mosul.

Foto: AP Photo/Khalid Mohammed

Perugia – Wird der Islamische Staat im Laufe dieses Jahres besiegt und welche Verantwortung tragen die Medien bei der Berichterstattung? Über diese Frage diskutierten die Journalisten Rania Abouzeid und Ayman Oghanna, der Bürochef der BBC im mittleren Osten, Richard Colebourn und der syrische Regisseur Firas Fayyad ("Die letzten Männer von Aleppo", 2017) beim Journalismusfestival in Perugia. Rania Abouzeid berichtet seit mehr als zehn Jahren aus der Region.

Ihre Positionen bei der Debatte im Überblick:

Aymann Oghanna: "Der Islamische Staat war sehr erfolgreich, etwas sehr Komplexes zu einer einfachen Idee zu reduzieren. Al-Qaida hatte eine Hierarchie und eine Befehlskette. Ich könnte jetzt einen Hammer nehmen, ‚Allahu Akbar‘ rufen und alle in diesem Raum umbringen. Der Islamische Staat, Sie, die Medien und die Politik würden sagen, dass ich zu ISIS gehöre. Das ist ihr Erfolg."

Rania Abouzeid: "Der Sieg über den Islamischen Staat auf ihrem Territorium ist eine Sache, aber der Sieg über ihre Ideologie eine komplett andere. Selbst wenn sie militärisch Boden verlieren, ist das nur ein Teil des Kampfes. Wie töten wir die Idee? Wie machen wir den Nährboden der IS-Ideologie unfruchtbar? Wir müssen uns eher darum kümmern, als um militärische Offensiven nach dem Motto Auge um Auge, Zahn um Zahn."

Aymann Oghanna: "Der IS ist etwas, mit dem wir unser Leben lang kämpfen werden. Das Kalifat wird innerhalb des nächsten Monats am Boden in Irak besiegt werden, aber ihr Gedankengut wird für immer existieren."

Rania Abouzeid: "Nachdem ISIS Mosul eingenommen hatten fragten mich viele Journalisten, wo diese Gruppe den plötzlich herkäme. Ich habe sie gefragt: ‚Was meint ihr damit? Wir haben schon lange vorher über sie berichtet.‘ Wir haben berichtet, aber wer hat uns zugehört? Dann marschiert der Islamische Staat in Mosul ein und plötzlich ist es eine Story."

Rania Abouzeid: "Wenn die Leute den Eindruck haben, der Islamische Staat repräsentiere den Islam, haben wir ein großes Problem. Der Islamische Staat hat mehr Muslime getötet, als Angehörige irgendeiner anderen Gruppe. Islamistische Bewegungen, die das Kalifat wiederrichten wollen, sind sich nicht mit dem IS einig. Das weist darauf hin, wie ‚muslimisch‘ die Gruppe wirklich ist."

Rania Abouzeid: "Wir sind besessen vom IS. Durch diese Besessenheit unterstützen wir die Inszenierung der Gruppe. Der Islamische Staat will der schwarze Mann sein und wir helfen ihm dabei. Das ist schädlich und unverantwortlich. Jedes Mal, wenn ein Anschlag in Europa oder woanders passiert, beginnen die Spekulationen darüber, ob es der Islamische Staat war. Wir müssen uns unsere Rolle in dieser Sache bewusst sein. Außerdem ist dieser Konflikt kompliziert. Herausgeber wollen oft nichts Unordentliches. Sie wollen Gut und Böse. Ich war letztes Jahr in Idlib, einer syrischen Stadt aus der niemand berichtet und Herausgeber waren einfach nicht an der Geschichte interessiert, weil der Islamische Staat sich dort nicht aufhält. Es ist trotzdem wichtig darüber zu berichten. Idlib ist erst die zweite provinzielle Hauptstadt in Syrien, die unabhängig vom Assad-Regime ist. Die Frage nach ihrer Regierung und Führung ist auch wichtig. Ich finde, dass die Berichterstattung darunter gelitten hat. Aleppo ist nicht der einzige Punkt in Syrien. Fragen zur Regierung, Bürgerbewegungen oder den Weißhelmen sind ebenfalls relevant." (Pia Miller-Aichholz, Nicolas Kristen, 14.4.2017)

Das Video über das Panel "Covering the End of the Islamic State?" beim Journalismusfestival in Perugia:

International Journalism Festival