Der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron hat kürzlich in einem Interview durchblicken lassen, dass er sich ausführlich mit Kant, Aristoteles, Descartes, Hegel, Machiavelli, Étienne Balibar und Paul Ricoeur beschäftigt hat und generell glaubt, dass zwischen Philosophie und Politik mehr Austausch stattfinden solle.

Solch zwanglose Bekenntnisse zur eigenen Intellektualität liest und hört man in Frankreich immer noch häufiger als anderswo. Bücherlesen ist keine Schande, Bücherschreiben auch nicht, im Gegenteil. Ich erinnere mich daran, wie ich vor einigen Jahren einen französischen Senator zu aktuellen politischen Geschehnissen befragen wollte und zur Antwort bekam: "Monsieur, ich interessiere mich nicht für Politik. Das Einzige, was mich interessiert, ist mein Roman."

Leider glauben viele Politiker, dass es günstiger ist, am unteren Ende der geistigen Kapazitäten der Wählerschaft, knapp an der Imbezillitätsgrenze, Maß zu nehmen und so zu tun, als wär das Schreiben und das Lesen niemals die Sach' gewesen, für die sie sich erwärmt haben. Man will ja nicht Teil der grauslichen Elite sein, die sich von den naturwüchsig-unverbildeten, pumperlgsunden Instinkten des Volkes entfremdet hat!

So gesehen wäre es eine nette Abwechslung, wenn auch andere Politiker als Macron einmal à la française agieren und ihre Bildungsbestände an der frischen Luft spazieren führen würden. Gut, bei Donald Trump wird es nicht viel auszuführen geben. Aber Steve Bannon steht nicht nur ins Gesicht geschrieben, dass er den Philosophen Johnnie Walker gründlich studiert hat, der liest auch Edward Burke, Charles Maurras und Lenin! Schade, dass er bei seinem Chef derzeit eher im Verschiss ist und nicht unbedingt als intellektuelle Galionsfigur der Trump'schen Revolution in Erscheinung treten kann.

Und wozu lassen wir eigentlich den Herbert Kickl Philosophie studieren, wenn dabei nicht mehr herauskommt, als dass er die armseligsten Politslogans ausheckt, welche je auf heimischen Plakatwänden affichiert waren? Schön wär's, wenn sich Kickl für die nächste Aschermittwochsrede von H.-C. Strache das Thema "Kojèves Interpretation der Herr-Knecht-Dialektik in Hegels Phänomenologie aus freiheitlicher Sicht" vornehmen würde. Es gibt nämlich auch bei der FPÖ Leute, denen eine anspruchsvollere Kost gelegentlich guttäte. (Christoph Winder, Album, 14.4.2017)