Brünn/Wien – Seit Ende März ist Ruslan Mukuschev, ein in Österreich seit 2004 anerkannter Flüchtling aus Tschetschenien, wieder in Wien. Davor saß der 46-Jährige zweieinhalb Monate lang im Gefängnis, im EU-Nachbarstaat Tschechien – und musste fürchten, wieder in das Land zurückzumüssen, aus dem er aus asylrelevanten Gründen geflohen war: Russland wollte ihn (wie der Standard berichtete) auf Grundlage eines Haftbefehls zurückhaben.

In diese Lage war der Vater von fünf Kindern aus Unwissenheit geraten. Auf Shoppingtour nach Brünn hatte er als Ausweis nur seinen Führerschein mit. Dieser reichte als Identitätsnachweis nicht, als er bei einer Verkehrskontrolle aufgehalten wurde.

Russischer Haftbefehl

Die Beamten stießen auf den russischen Haftbefehl – und sperrten Mukuschev wegen Fluchtgefahr ein. Einem internationalen Haftbefehl muss jeder Staat Folge leisten – auch wenn der Festgenommene anerkannter Flüchtling ist und der Befehl aus dem ehemaligen Verfolgerstaat stammt.

Dem früheren Apothekenmitbetreiber wird vorgeworfen, in seiner Heimat illegale Medikamente transportiert und gelagert zu haben. Dieselben Vorhaltungen hatte das Landesgericht Wien bereits 2009 untersucht. Das Wiener Gericht befand, dass sie eine Auslieferung nicht rechtfertigten.

Doch diese rechtskräftige Entscheidung half Mukuschev in Tschechien auf die Schnelle wenig. Überhaupt taten sich die diplomatischen Vertretungen Österreichs kompetenzmäßig schwer: Sie seien nur für österreichische Staatsbürger zuständig, für anerkannte Flüchtlinge, die weiter Staatsbürger ihres Heimatstaates sind, nicht, heißt es in dortigen diplomatischen Kreisen.

Unklare Rechtslage

So besage es das Wiener Abkommen über konsularische Beziehungen aus dem Jahr 1969. Im Grunde herrsche hier Änderungsbedarf, denn die Unterstützung anerkannter Flüchtlinge im Ausland sei eine "Gratwanderung". Im Fall Mukuschev gab es sie trotzdem, er kam frei. Auch die Genfer Flüchtlingskonvention gebe keinen Hinweis darauf, ob anerkannte Flüchtlinge von Auslandsvertretungen denselben Schutz wie Staatsbürger erhalten sollen, fügt dem beim UN-Flüchtlingshochkommissariat in Wien Sprecherin Ruth Schöffl hinzu. Die Staatenpraxis sei infolgedessen sehr unterschiedlich: "Manche Länder gewähren anerkannten Flüchtlingen im Ausland diesen Schutz, andere nicht." Österreich, so Schöffl, habe sich in derartigen Fällen bisher meistens schon engagiert – vor allem, wenn die Inhaftierung in einem anderen EU-Staat stattgefunden habe.

Fakt ist, dass es im Ausland gar nicht so selten zu Inhaftierungen anerkannter Flüchtlinge auf Basis von Haftbefehlen aus dem Heimatstaat kommt. In den vergangenen zehn Jahren gab es etliche Fälle mit russischen, türkischen sowie – zuletzt auch – syrischen Asylberechtigten als Betroffenen. Auslieferungen gab es de facto nicht, doch der Freilassung ging jeweils wochen- bis monatelange Haft voran. (Irene Brickner, 15.4.2017)