Bild nicht mehr verfügbar.

200 Jahre Fahrrad. Am Anfang stand dieser Mann: Karl (Freiherr von) Drais. Forstmann, Erfinder, Demokrat.

Foto: Picturedesk

Bild nicht mehr verfügbar.

Die technische Zeichnung zu seiner Erfindung, die als Draisine nicht nur einspurig blieb, ...

Foto: Picturedesk

Bild nicht mehr verfügbar.

... sondern bald auch auf Schiene kam – wie auch das Bild aus dem UFA-Film "Die Liebe und die erste Eisenbahn" (1934) zeigt.

Foto: Picturedesk

Wien – Es sind diese kleinen Strecken, kleinen Wege, die Geschichte schreiben. Als Jungfernfahrt mit dem Daimler-"Reitwagen", dem ersten verbrennungsmotorisch angetriebenen Fahrzeug überhaupt, machte Paul Daimler 1885 eine Zwölfkilometertour von Cannstatt nach Untertürkheim und zurück. Die erste öffentliche Ausfahrt von Carl Benz mit seinem Patent-Motorwagen fand 1886 auf der Ringstraße in Mannheim statt – die Geburtsstunde des Automobils mit Verbrennungsmotor.

Armstrong

Als erste bemannte Gleitflüge gingen Otto Lilienthals 25-Meter-Hüpfer mit dem "Derwitzer Apparat" (1891) in die Geschichte ein. Dann bald der Motorflug (je nach wissenschaftshistorischer Konfession): Gustav Weißkopf 1901, rund 800 Meter weit; oder die Brüder Wright 1903 – mit zuerst 37, danach gleich 260 Metern. Neil Armstrong, erster Mann auf dem Mond, 1969: "Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Sprung für die Menschheit." Zwangsläufig unbemannt: Quantensprung und Planck-Länge (1,6 x 10-35 m) – kleinere Schritte kann nichts (Materielles), was ist, tun.

Gut eingestimmt auf das Kommende? Es kommt: eine Jungfernfahrt über knapp 14 Kilometer, von Mannheim zum damaligen Schwetzinger Relaishaus. Dauer: knapp eine Stunde. Absolviert am 12. Juni 1817. Das Gerät hieß "Laufmaschine", hat nichts mit Fitnessstudio zu tun, und das Datum gilt als Geburtsstunde des Fahrrades, ja überhaupt als "Urknall der pferdelosen Mobilität".

Freiherr von Drais

Weil nämlich. Karl Freiherr von Drais (1785-1851) hatte sich besagte Laufmaschine zusammengebastelt, bestehend aus einem Holzrahmen mit Sitz und zwei Holzrädern, deren vorderes per Deichsellenker gesteuert werden konnte. Beim Antrieb des 22-Kilo-Bikes kam Muskelkraft ins Spiel, wie heute noch beim Fahrrad, allerdings nicht kurbelnd, sondern strampelnd – durch abwechselndes Abstoßen mit den Beinen.

Und das fährt? Aber ja doch, jede(r) kennt das, die Kreiselkräfte stabilisieren das Gefährt, Draisens soll bis zu 15 km/h schnell gewesen sein. Landauf, landab wird das Ereignis heuer gewürdigt, beispielsweise in Mannheim, seiner badischen Heimat, im Museum Technoseum mit der Schau 2 Räder – 200 Jahre (bis 25. Juni).

Periskop und Draisine

Drais, dieser begabte Bursche, war aber weit über das bald eifrig kopierte Urradl hinaus erfinderisch: vom automatischen Notenschreiber (1812) über vierrädrige Fahrmaschinen (1813; wieder mit Muskelkraftantrieb – eine davon wurde 1815 beim Wiener Kongress vorgestellt, bei dieser Pferdekutschenmegaveranstaltung), das Periskop (1816) und eine Schreibstenomaschine für 16 Zeichen mit Lochstreifen (1827) bis hin zum vierrädrigen Schienenfahrzeug mit mechanischem Antrieb (1842) – Draisine genannt.

Alles auf Schiene im Leben des Freiherrn? Mitnichten! Im Zuge der Badischen Revolution (1848/49) legte er "Freiherr" und "von" zurück, nur mehr Drais, meinetwegen Bürger Drais. Folge der Aufmüpfigkeit: Er wurde systematisch in der Existenz ruiniert.

Hin und her

Und dann ist da noch die Sache mit dem Vulkan. Im April 1815 flog in Niederländisch-Indien (Indonesien) der halbe Berg samt Inhalt in die Luft. Der Kongress tanzte noch. Doch es folgte ein Jahr ohne Sommer. Der Tambora-Dreck verdüsterte die Erde. Missernten, Hungersnöte, Pferdeschlachtungen wegen Futterknappheit.

Dies habe Drais zu seiner Erfindung angeregt, meinen Historiker. Falsch, weisen ihre Gegner nach: Es gebe kein einziges darauf hinweisendes Zitat. Das Urfahrrad hätte auch gar nicht als Lastesel in die Bresche springen können. So kommt es, wenn man wissenschaftlichen Zeitgeist schablonenhaft auf die Vergangenheit extrapoliert – nach dem Motto: "Die Zeit ist eine Kiste, in der die Ereignisse liegen. Weiter nichts." (Zitat: Fernau) (Andreas Stockinger, 16.4.2017)