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Bei dem Solidaritätskonzert "Voices for Refugees" am Wiener Heldenplatz 2015 waren Die Toten Hosen dabei.

Foto: Reuters / Heinz-Peter Bader

Gut, ich habe weder musikalisches Talent noch einen besonders exquisiten Geschmack. Glücklicherweise brauche ich das aber nicht, um bei den Hosen mitgrölen zu können. "Bis zum bitteren Ende" beispielsweise fasst Sinn und Zweck einer Teenagerparty in Enns hübsch zusammen. Wertvolle Hinweise, zu welchen Kickern man halten soll, liefert "Bayern", ein Lied über den FC Bayern München, einen über die Grenzen Deutschlands hinaus beliebten Fußballverein. Auch wenn Kollege Kim Son Hoang den Text nicht so goutiert. Aber wo wir möglicherweise im Duett grölen würden, wäre im Ernst-Happel-Stadion, wenn Österreich ein entscheidendes Ländermatch gewonnen hat. Gab 2014/15 schließlich viele Tage wie diese. (Michael Möseneder, Redakteur Chronik)

Sören Borgstedt

Zweierlei Hosen: Gasometer Wien 2004, St. Pölten 2013. In Wien solide Handarbeit. Hey Publikum, hier kommt die sanfte Rebellion, morgen wieder Büro, Bim, Bier. Jetzt aber, nochmal schnell von der Bühne gesprungen. "Ich will nicht ins Paradies", brüllt Campino ins Mikro, lässt sich von der Menge zum Bartresen tragen, rauf auf den Kühlschrank und weiter gen Galerie. Oben angekommen, drückt ihm ein Fan ein bengalisches Feuer in die Hand. Sagen wir so: Die Stimmung stimmte. Die Inszenierung auch. Ähnliches kann man von St. Pölten sagen: Erwin Pröll gewann 2013 nochmal die Absolute, die Volkspartei befand sich an jenem Abend ähnlich nah dem Paradies wie das Publikum an jenem Gasometerabend. Im Festzelt wird zu "An Tagen wie diesen" mitgesungen und geschunkelt. Da sind sie nun, die Hosen, etwas Rebellion für Feierabendpunker, etwas Rock fürs konservative Bierzelt. Die ganze Breite. Wollten Sie da hin? (Sebastian Pumberger, Chef vom Dienst, online)

Guerilla TV

Ein aufgeregter Anruf vom Mann: "Die Hosen geben ein Konzert in der Burg. Kannst du Tickets besorgen?" Kann ich und will ich. Als angehende Patchwork-Mum will frau glänzen. Gegen sechs Uhr früh gehe ich zur Burg, in der Hand eine Zeitung, die ich lesen wollte, während ich gemütlich in der Schlange stehend auf Einlass warte. So die Idee. Die Realität: Rund 300 Fans sind schon vor mir da. Als ein Ordner dann ein Gitter verschiebt, stürmen alle über die Stiegen zum Haupteingang des Burgtheaters. Ich mittendrin. Stundenlang verbringe ich eingequetscht in der Menge. Die Zeitung verliere ich irgendwann, die Burgtüre aber nicht aus den Augen. Fünf Stunden (!) später: Heureka! Tickets gesichert. Voller Einsatz. Uff. Aber: geiles Konzert. (Bettina Pfluger, Redakteurin Wirtschaft)

Ich war mit 13 in Worthing, England, auf Sprachferien mit einem Freund aus Deutschland. Mein Geschmack damals war Alice Cooper, Maiden und vor allem Kiss. Mein Freund aus Bayern war Fan von den Toten Hosen. Und er hatte zwei Kassetten dabei: "Ein kleines bisschen Horrorshow" und "Bis zum bitteren Ende". Beide Kassetten haben wir in diesen vier Wochen in Worthing rauf und runter gehört, und damit war ich Fan.
Aber um ehrlich zu sein, bin ich ein wenig genau in dieser Ära hängengeblieben, die Hosen-Platten nach "Learning English" waren dann immer seltener meins, einzig noch das Unplugged-Konzert mit der selten genialen Version von "Guns of Brixton" hat mich noch wirklich vom Hocker gerissen. Aber dank den Hosen hab ich Punkrock für mich entdeckt ... (Igorwhereismybrain? via User-Forum)

GettoBoost

Vor einigen Jahren, ich war noch ein Kind, hat mein Vater beim Erledigen des Abwaschs sehr oft das Album "Bis zum bitteren Ende" sehr laut abgespielt. Ich habe währenddessen abgetrocknet. Heute noch höre ich dieses Album ab und zu und erinnere mich gerne an Tage wie diese (haha) zurück.
Aber ansonsten hör ich von den Hosen eigentlich nix. (hät i, währ i, tät i via User-Forum)

Live sind sie (wie im Übrigen auch Die Ärzte) nach wie vor unschlagbar. Dass sich in so einer langen Bandhistorie auch schwächere Alben (wie "Ballast der Republik") finden, ist verzeihlich und verschmerzbar. Solange sie sich live die Spielfreude erhalten, gehe ich auf ihre Konzerte (egal ob Arena, Burgtheater oder Stadthalle). (juliaaa via User-Forum)

Früher war alles besser, früher war alles gut, da hielten alle noch zusammen, die Bewegung hatte noch Mut. Man nehme nur den STANDARD-Sport. Der hat sich manchmal so wenig gepfiffen, dass er sich oft gar nichts geschissen hat. Und jetzt ist er so still, dass man früher gusch dazu gesagt hätte. "Bayern, ein über die Grenzen Deutschlands hinaus beliebter Fußballklub und laut Franz Beckenbauer 'eine Scheißmannschaft'", lautete der STANDARD-Stehsatz über den deutschen Rekordmeister. Doch plötzlich war es damit vorbei, über Nacht.
Da ist der Nachwuchs gefragt. Und lässt der journalistische aus, muss der familiäre einspringen. Mit der TV-Fernsteuerung ist der Vierjährige längst schon per Du. Youtube, und ab geht's mit den Hosen. "Was für Eltern muss man haben, um so verdorben zu sein, einen Vertrag zu unterschreiben bei diesem Scheißverein?" Läuft. (Fritz Neumann, Redakteur Sport)

DIE TOTEN HOSEN

Heute sind die Toten Hosen von Punk ungefähr so weit entfernt wie ein Bierzelt von der Brauerei. Und auch das Publikum hat sich vom guten alten Saufpunk der frühen 1980er-Jahre längst zum breitbeinigen Grölrock für Liebhaber von Stadionkonzerten gewandelt. Der Erfolg ist ein Hund, der so lange zum Bierbrunnen torkelt, bis er sich erbricht. Da gehen Meinung und Erinnerung jetzt ein wenig auseinander: 1982 oder 1983 im Keller der Innsbrucker Uni-Mensa soffen sie, noch unbehelligt von den Folgeschäden des Alters wie Leberwerten, Weltverbesserungsbestrebungen in deutschen Talkshows oder Band for Africa, auf der Bühne einen Kübel Most leer und spielten mit frühen Hits wie "Ficken, Bumsen, Blasen" ein sehr, sehr lustiges und chaotisches Konzert. Das war früher. Gib heute einmal diesen Songtitel bei Google ein. Ich glaube, wir verstehen uns, oder? (Christian Schachinger, Redakteur Kultur)

Als jahrelange eingefleischte Festivalband lassen die Düsseldorfer so manchen Rock-Newcomer blass aussehen. Campino holt auch mit über fünfzig Jahren noch genüsslich zum Stagediving aus, jumpt oben ohne in die Menge und lässt sich von den Händen des Publikums bis zum Mischturm tragen. Das Mikrofon hat er dabei, und er singt einfach weiter. Beim Übertragungsturm angelangt, hangelt er sich wie ein Affe auf dem Gerüst nach oben. Die Bierdosen, die für die Fans von der Bühne geworfen werden, sind da schon fast obligatorisch. (Stefanie Ruep, Korrespondentin Salzburg)

Der Pate

Die Ö3-"Musicbox" war es, die in den 1980er-Jahren den Punk in die Oststeiermark brachte und einen brauchbaren Soundtrack für das Leben zwischen Nazilehrern und Waldsterben lieferte. The Clash, die Sex Pistols und die Ramones erklärten die beschissene Welt. Irgendwann reihten sich auch die Toten Hosen ein. Mit ihren Texten über Sexpraktiken und Politik konnten sie mit uneingeschränkter Aufmerksamkeit beim U16-Publikum rechnen. Dann passierte es. Die Toten Hosen wurden kommerziell erfolgreich. Das war der Zeitpunkt, sich zu verabschieden. Rückblickend ist es knapp 30 Jahre später die richtige Entscheidung. Wer will schon Fan einer Band sein, deren Liedgut auch in Bierzelten, auf Kindergeburtstagen sowie CDU-Wahlveranstaltungen rauf und runter gespielt wird. (Markus Sulzbacher, WebStandard)

Marv Mandela

Wer Alex war, wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Wichtig war mir die aggressive Grundstimmung des Songs und dass ich endlich einen Songtext auf Deutsch konnte. Es war Ende 1992, ich kämpfte mit Präpositionen und dem Präteritum, summte "Hier kommt Alex" und verstand zum Glück nur jedes zweite Wort. Aber "roboten" sagte mir was. Und "Horrorschau" auch. (Olivera Stajic, Chefin vom Dienst, online)

Kann sich noch wer an das Hosen-Konzert im alten Chelsea erinnern? Ich nämlich nicht mehr, aber ich hab noch den Stempel am Handgelenk, also muss ich da gewesen sein. (Steverino via User-Forum)

(STANDARD-Schreiber und -Leser, 16.4.2017)