Der Aufstand der schwarzen Sklaven ist nicht von langer Dauer: Nate Parker (2. v. li.) führt als Nat Turner die Rebellion an.

Foto: Century Fox

Wien – Dem Aufstand geht eine Erhebung voraus. Über einen Holzpflock gebeugt wird Nat Turner ausgepeitscht. Die Beine vermögen den Körper nicht mehr zu tragen. Doch irgendwann in der Nacht dreht er den Kopf zur Seite und erkennt ein paar Kerzen, die andere Sklaven für ihn vor ihre Hütten gestellt haben. In diesem Augenblick fährt die Kamera hinauf in den Nachthimmel und gibt den Blick frei auf ein kleines Lichtermeer. Da erhebt sich der Gepeinigte vom Boden, richtet sich empor – und setzt buchstäblich den ersten Schritt.

The Birth of a Nation ist ein eigenwilliger Film. Nate Parker erzählt darin die auf wahren Ereignissen basierende Geschichte von Nathaniel "Nat" Turner, der 1831 in Virginia einen Sklavenaufstand anführte, dem mehr als fünfzig Weiße zum Opfer fielen. Turner wurde nach kurzer Flucht gehängt, geköpft und gevierteilt, hunderte Schwarze wurden als Vergeltung getötet. Es war die Vergeltung der Vergeltung.

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Frommer Christ

"Slay both man and woman, infant and suckling, ox and sheep, camel and ass" sind die letzten Zeilen, die Turner im Buch Samuel liest, ehe er zur Waffe greift. Denn als gebildeter Sklave war er des Lesens mächtig und predigte als frommer Christ auf den umliegenden Plantagen. Bei Nate Parker wird er zu einem Mann, der erst über das Leid der anderen seinen religiös motivierten Entschluss fasst. Und seine kleine Axt gegen ein Schwert tauscht.

Im Vergleich zum thematisch verwandten 12 Years a Slave von Steve McQueen tritt The Birth of a Nation jedenfalls mit einer anderen revisionistischen Agenda auf: Bereits der Titel als ironischer Hinweis auf D. W. Griffiths gleichnamigen Klassiker aus dem Jahr 1915 soll einmal mehr auf dessen rassistische Propaganda hinweisen, und die Geburt der Nation findet bei Parker am Ende wohlweislich auf dem Schlachtfeld statt.

Was an diesem Film verstört, ist jedoch nicht sein hehres, notwendiges und offen zur Schau gestelltes Anliegen, sondern die dramaturgischen Mittel, die Parker für diesen Zweck verwendet. Lehrbuchhaft positioniert er seine Nebenfiguren entsprechend der Aufgabenverteilung: den weißen Patrouillenführer (Jackie Earle Haley) als Sadisten; den schwachen Plantagenbesitzer (Armie Hammer), der Turner als kleiner Junge noch Spielgefährte war; seine gütige Mutter (Penelope Ann Miller), der als Southern Belle die Jahre und das Mitgefühl zusetzen; aber auch Turners Frau Cherry (Aja Naomi King) in ausschließlich dieser Funktion.

Teuer verkauft

The Birth of a Nation verfolgt jedoch eine eindeutige Botschaft, die für das New Black Cinema neue Perspektiven aufwirft. Denn Parker hat, als Regisseur, Produzent, Koautor und Hauptdarsteller in Personalunion, ein Rachedrama im Gewand eines Historienfilms inszeniert, das in Sundance von Century Fox für 17,5 Millionen Dollar gekauft wurde – die bis dahin höchste Summe in der Geschichte des Festivals.

Dass die Oscarnominierungen dennoch ausblieben, ist einem Gerichtsverfahren zuzuschreiben, dem sich Parker 1999 wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung stellen musste: Dieses endete zwar mit einem Freispruch, Parkers Oscarchancen waren damit aber – im Gegensatz zu jenen von Casey Affleck – dahin. Ansonsten wäre The Birth of a Nation neben Fences und Moonlight die dritte Arbeit eines afroamerikanischen Regisseurs im Rennen gewesen.

The Birth of a Nation zeigt aber auch, wie die Arbeiten von schwarzen Filmemachern – mit wenigen Ausnahmen wie Ava DuVernay (Selma) handelt es sich hierbei nach wie vor überwiegend um Männer – mit Themen zur afroamerikanischen Geschichte mittlerweile im Mainstream angekommen sind. Mit allen Vor- und Nachteilen, die sich Wegbereiter wie Billy Woodberry, Charles Burnett oder auch Spike Lee wohl nicht hätten ausmalen können.

Der weinende schwarze Bub, der Turners Erhängung beiwohnt, wird bei Parker am Ende in einer Überblendung zum Soldaten in Unionsuniform. Das aufblitzende Mündungsfeuer ist die Weitergabe des Feuers. (Michael Pekler, 15.4.2017)