Wien – Es vergeht fast kein Tag, an dem Chelsea Handler nicht gegen Donald Trump ausholt. Und ausholen – das bedeutet im Fall von Chelsea Handler drauflosdreschen, aber richtig. Erst neulich wünschte sie dem US-Präsidenten dieselbe Behandlung wie dem unglücklichen Passagier in der United-Airlines-Maschine, der von Sicherheitskräften von Bord gezerrt wurde. Mit Trump solle man ebenso verfahren – allerdings außerhalb des Präsidentenfliegers. Den mächtigsten Mann der Welt nennt sie wahlweise "Arsch mit Kürbisgeschmack", "Donnie Schwanz", "diese verfaulte Marille" oder einfach nur "fettes, oranges Arschloch".

Foto: Netflix

Die Attacken gegen ihren Erzfeind sind inzwischen die Hauptmission einer der derzeit wichtigsten Talkerinnen der USA. Mehr davon reitet sie seit Freitag in neuen Folgen ihrer Talkshow Chelsea auf Netflix. Seit 2016 ist die 42-Jährige beim Streamingdienst unter Vertrag und ätzt entweder dort oder auf Twitter und Instagram. Der Gerechtigkeit halber kann man sagen, dass sie über sehr viele mehr herzieht – nicht nur über den US-Präsidenten.

"So, mit wem schläfst du gerade?"

"Was ist los mit deinem Arsch?", fragte Handler die Rapperin Nicki Minaj. Promisternchen Kim Kardashian begrüßte sie mit den Worten: "So, mit wem schläfst du gerade?" Für solche Direktheit wird sie geliebt und gehasst, in jedem Fall aber beachtet. Auf Twitter folgen ihr rund sechs Millionen, auf Instagram zählt sie rund drei Millionen Abonnenten, Time und Forbes listeten sie unter den hundert einflussreichsten Persönlichkeiten. Sie gehört zu den bestbezahlten Komikerinnen der Welt, soll allein im letzten Jahr 75 Millionen Dollar verdient haben und über ein Gesamtvermögen von 215 Millionen Dollar verfügen. Neben den Fernsehshows schreibt sie Bücher, sie besitzt Immobilien, eine Burger-Kette, ein Fußballteam, wirbt für eine Kosmetiklinie, verkauft unter ihrem Namen Wodka, Parfum und Mode.

Selbstentblößung

Geschafft hat sie das mit frechem Mundwerk und dem unbedingten Willen, dem Showbusiness einen Spiegel vorzuhalten. Chelsea Joy Handler wird am 25. Februar 1975 in Livingston im US-Bundesstaat New Jersey als jüngstes von sechs Kindern geboren. Der Vater ist amerikanischer Jude, die Mutter Deutsche und Mormonin. Mit 19 übersiedelt sie nach Los Angeles, lernt schauspielen, entdeckt ihr Talent als Stand-up-Comedian. 2006 bekommt sie beim NBC-Sender E! ihre erste Show, seither unterhält sie ihre Zuschauer mit verlässlicher Derbheit und treffsicher platzierten Geschmacklosigkeiten. Dem Zwang zur permanenten Äußerung im Netz begegnet sie mit Selbstentblößung als feministischem Statement.

Foto: Netflix

So ließ sie sich als stolze Reiterin fotografieren – wie ihr "Vorbild" Wladimir Putin oben ohne. Sie postete ein Bild, das ihren nackten Rücken zeigte, auf dem ihre sehr dezidierte Meinung über Donald Trump zu lesen war. Immer wieder stellt sie Busenbilder auf Instagram, um gegen das Nacktbildgebot des Onlinedienstes zu protestieren. In der Reihe Chelsea Does, ebenfalls auf Netflix, trieb sie das Prinzip mit Selbstversuchen auf die Spitze, als sie etwa Drogen konsumierte. "Alles, was nicht der normale Geisteszustand ist, ist horizonterweiternd", sagt Handler. Publikumsbeschimpfung gehört ebenso dazu. In ihrem Live-Programm Uganda Be Kidding Me begrüßt sie die Gäste als letzte Station ihrer Tournee, weil Chicago "die amerikanischste Stadt" sei, und jetzt möge man doch "bitte nicht klatschen". Als trotzdem Applaus aufbrandet, behält sie ihr Lächeln bei und fragt in die Halle: "Warum seid ihr nur so verdammt dumm?"

Nicht immer zum Lachen

So viel Angriffslust bleibt nicht unwidersprochen. Der Hass schlägt Handler in sozialen Medien ungebremst entgegen. Der Trump-freundliche Sender Fox lässt nichts aus, um sie anzupatzen. Im Fernsehen werden ernsthaft Diskussionen abgehalten, warum Handler so auf die Trumps peckt. "Ich sage nur, was andere denken", sagt Handler, die von sich sagt, Kinder zu hassen, Alkohol zu lieben und nur ihrem Hund Chunk zu vertrauen.

Chelsea

Nicht immer ist ihr zum Lachen zumute. Am Tag nach Trumps Wahlsieg saß Handler in ihrer Show und weinte. Die US-Medien hätten Hillary Clinton nicht fair behandelt und Trump zu wenig ernst genommen: "Es war eine Reality-Show. Wir haben uns in eine Reality-Show verwandelt." Dagegen wehrt sie sich, etwa als Organisatorin des Sundance Women's March: "Eine Führungskraft als Frau zu sein, das gibt mir viel Energie und ist eine Lizenz für schöpferische Freiheit", sagte die Talkerin beim Netflix-Event in Berlin.

*Wir müssen uns über diesen Idioten im Weißen Haus lustig machen."

"Für mich war es das erste Mal, dass ich meine weibliche Stimme auf sehr authentische Art nutzen konnte. Da ist es ganz wichtig, sich konkret zu äußern, nicht nur Flammenwerfer zu sein. Es ist wichtig, sich für Frauen einzusetzen und Spaß zu haben. Da ist eine Verantwortung dabei." Worum es in der Hauptsache geht: "Wir müssen uns über diesen Idioten im Weißen Haus lustig machen." Soll ja keiner sagen, sie hätte nicht alles versucht. (Doris Priesching, 15.4.2017)