Hat zu kiefeln: Ronnie O'Sullivan.

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Herr O'Brien konzentriert sich.

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Sheffield – Mark Selby stampft vor Ärger mit dem Fuß auf. Zwar führt der Weltmeister in seiner Erstrundenpartie gegen den irischen Qualifikanten Fergal O’Brien deutlich, aber Selby ist mit seinem eigenen Spiel sichtlich nicht zufrieden. Hat Selby sich für die Eröffnung der 40. Snooker-WM im Crucible Theatre zu Sheffield etwas Besonderes vorgenommen?

Dabei hat O’Brien dem Weltmeister – außer einer beängstigenden physiognomischen Ähnlichkeit zur Figur des Agent Smith aus dem Film "The Matrix" – nicht allzu viel Bedrohliches entgegenzusetzen: Laufen die Bälle für einmal nicht so, wie Selby es sich vor dem Stoß gedanklich zurechtgelegt hat, dann ist sein Gegner meist schnell bei der Hand, die Höflichkeit zu retournieren und dem Weltmeister eine neue Chance zum Break Building zu überlassen.

Und die nutzt Selby dann in der Regel auch. So steht es bereits am Ende der Vormittags-Session 8:1 für den Titelverteidiger. Auch im zweiten, in den frühen Abendstunden ausgetragenen Teil des Matches kommt nicht mehr viel Spannung auf, der Klasseunterschied ist einfach zu groß: Nach nicht einmal eineinhalb Stunden steht es 10:2 für den Weltmeister, der damit als erster Spieler und durchaus souverän in die zweite Runde der Snooker-WM einzieht.

When he’s good, he’s on fire ...

Auch die zweite, parallel ausgetragene Vormittagssession entwickelt bald einen recht einseitigen Verlauf. Im Gegensatz zum unangefochtenen Sieg des Weltmeisters darf die Dominanz von Altmeister Stephen Maguire im schottischen Derby gegen Anthony McGill allerdings als kleine Überraschung gelten.

2015 war Maguire, dessen Karrierehöhepunkt schon ein Weilchen zurückliegt, gegen seinen jungen Landsmann McGill noch in der ersten Runde der WM ausgeschieden. Mit einer starken Saison im Rücken und zwei Jahren gewonnener Erfahrung hatte der erst 26-jährige McGill in diesem Jahr zumindest als leichter Favorit für diese Partie gegolten.

Aber nach umkämpftem Beginn der Session bringt McGill bald kein Bein mehr auf den Boden und keinen Ball mehr in die Tasche. Maguire lässt sich nicht lange bitten und kassiert Frame um Frame zum Zwischenstand von 7:2. Wie hatte es beim Einzug der Gladiatoren doch so treffend durch das Crucible Theatre geschallt: "When he’s good, he’s on fire: He’s Stephen Maguire."

Auch in dieser Begegnung kommt bei der abendlichen Fortsetzung nicht mehr viel Spannung auf, Maguire schließt den Sack rasch zum 10:2. Damit scheitert er zum ersten Mal seit fünf (!) Jahren nicht in Runde eins der WM – wer weiß, welche Kräfte dieser Erfolg beim stämmigen Schotten für dieses Turnier noch freisetzt?

O’Sullivan hat’s schwer

Zwischen die Vormittags- und die Abend-Session haben die Götter bei der Snooker-WM die Nachmittags-Session gesetzt. Und in dieser bestreitet Publikumsmagnet und fünffacher Weltmeister Ronnie O’Sullivan die ersten neun Frames seines Eröffnungsmatches gegen Außenseiter Gary Wilson.

Tatsächlich scheint sich die 31-jährige Nummer 39 der Weltrangliste einiges vorgenommen zu haben: Schon im ersten Frame spielt Wilson mutiges, aggressives Snooker und versteht es damit, O’Sullivan nicht in seinen üblichen flotten Spielrhythmus finden zu lassen.

Trotzdem gelingt es dem von vielen als größter Spieler aller Zeiten gefeierten O’Sullivan, über den Kampf ins Spiel zu kommen und sich bald ein Stück abzusetzen. Beim Stand von 3:1 rennt O’Sullivan dann in bekannter Manier fast den Schiedsrichter über den Haufen, der sich noch mit der Rückholung eines gelochten Balles beschäftigt, während "The Rocket" bereits heiß auf seinen nächsten Stoß ist.

Respotted Black

Den sechsten, fast schon verloren geglaubten Frame holt der Routinier mittels einer selten zu sehenden "respotted black": Nach Leerung des Tisches steht es nach Punkten exakt unentschieden, die Schwarze muss deshalb noch einmal aus der Tasche auf ihr angestammtes Plätzchen gelegt werden. Als Wilson zu forsch versucht, sie mit einem "Double" per Bande in die Mitteltasche zu befördern, staubt O’Sullivan trocken ab und zieht mit 5:1 davon.

Danach aber läuft für den Routinier nichts mehr zusammen. Wilson wird von Frame zu Frame stärker und verkürzt mit Ende der Session noch auf 4:5. Nicht gerade das, was sich O’Sullivan und sein im Publikum gesichteter Fan Damien Hirst für diese erste Session erhofft haben dürften.

Parallel dazu kann sich auch im Match zwischen dem favorisierten Kyren Wilson und David Grace keiner der Spieler entscheidende Vorteile verschaffen. Das daraus resultierende 5:4 für Kyren Wilson lässt für die zweite Session alles offen, für O’Sullivan gegen Gary Wilson gilt natürlich dasselbe. Beide Erstrunden-Partien werden am Ostersonntag fortgesetzt. (Anatol Vitouch, 15.4. 2017)