Klagenfurt – In Klagenfurt beugt Maria Stuart ihren Hals heuer zweimal unter das Fallbeil. Nicht in Anlehnung an die Pradler Ritterspiele, sondern aus einer Spielplangestaltung, von der man nicht genau weiß: Ist sie sparsam, weil nach der Spielserie von Schillers Maria Stuart bei Gaetano Donizettis Maria Stuarda die Bebilderung verzichtbar war, oder ist sie luxuriös, da den Vergleich zweier höchstwertiger künstlerischer Auseinandersetzungen mit demselben Thema sonst nur finanzkräftigere Kulturstädte wagen.

Entscheiden wir uns dafür, dass es beides zugleich ist. Nämlich umso mehr, weil erstens das Stadttheater Klagenfurt bei der Besetzung von Gaetano Donizettis Tragedia lirica eine durchaus glückliche Hand bewiesen hatte und weil zweitens die Wiederbegegnung mit dieser Komposition ein hinreißender Belcanto-Genuss ist.

Seit die Königin von Neapel 1834 bei der Generalprobe der dann abgesagten Uraufführung in Ohnmacht gefallen ist, zählt die mittlere der drei Tudor-Opern zu den mäßig erfolgreichen Werken von Donizetti. Im Winter 1835 waren die Protagonistinnen beide erkältet, der Komponist verließ die Scala im Streit, und seine Maria Stuarda verschwand für ganze 123 Jahre von der Bühne.

Die Herausforderung

Dabei ist die Beichtszene, der Auslöser der besagten königlich-neapolitanischen Bewusstlosigkeit, wirklich eine Herausforderung für sensible Gemüter. Und die Zeichnung der Charaktere in all den anmutigsten Kavatinen, Arien und Ensembles ist für die vorverdische Epoche ungemein effektvoll.

Dass Angela Browers (als Elisabetta) in den Höhen eine metallische Kälte ausstrahlt, das fügt sich ganz passend in ihren Streit mit der von Anush Hovhannisyan verkörperten Rivalin, in dem beide – lediglich mit verschiedener Akzentuierung – den gleichen Melodienbögen folgen. Da ist das Li bretto Giuseppe Bardaris vollkommen bei Schiller.

Nicht so im Finale, in dem der weise Talbot zum Priester und Maria Stuart zu einer sehr italienischen Heiligen wird. Es ist halt eben Oper – da kann der anno 1800 in Jena sehr zwiespältig konzipierte Leicester schon einmal auf seine lyrische Verehrung der Stuart beschränkt werden.

Die Beziehungen

Der aufstrebende Portugiese Carlos Cardoso gibt diesem Liebhaber hier alle Klangwärme und Gefühlsinnigkeit. Das ist allerdings auch von Hovhannisyans Maria Stuart zu sagen. Das ganze Unterfangen (samt Dirigentin Giedre Šlekytėe und Orchester) hat sich also den sehr begeisterten Schlussapplaus letztlich redlich verdient.

Vielleicht wird in den Folgevorstellungen auch noch mehr Einvernehmen darüber erzielt werden, ob man in dieser konzertanten Aufführung nur geradeaus ins Parkett singen oder doch die Beziehungen der Figuren zueinander, die es zweifelsohne ja gibt, zumindest ein bisschen quasi auch szenisch andeuten soll. (Michael Cerha, 17.4.2017)