Der Satellit Lisa Pathfinder (im Bild), der 2015 gestartet ist, hat erfolgreich Technologien getestet, mit denen die Europäische Weltraumagentur ab 2034 ein Gravitationswellenobservatorium im All betreiben will. Der Erfolg nährt Hoffnungen auf einen früheren Start.

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Gudrun Wanner ist Astrophysikerin an der Universität Hannover.

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Wien – Am 12. April 1961 flog der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin als erster Mensch in den Weltraum. Um das zu feiern, finden weltweit jährlich an diesem Tag themenbezogene Veranstaltungen statt. In Wien sprach die deutsche Physikerin Gudrun Wanner bei der vom Verkehrsministerium und von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützten Veranstaltung "Yuri's Night" des Vereins Der Orion im Naturhistorischen Museum über Gravitationswellen.

STANDARD: Als der erste Nachweis von Gravitationswellen im Februar 2016 bekanntgegeben wurde, war von einer "neuen Ära der Astronomie" die Rede – was konnten wir bisher durch Gravitationswellen über das Universum lernen?

Wanner: Mit der allerersten Messung hatten wir schon etwas ganz Neues gefunden: Schwarze Löcher in einem Doppelsystem. Zuvor gab es solche Systeme nur auf dem Papier. Außerdem hatten beide Schwarzen Löcher eine Masse, die es zuvor auch nur auf dem Papier gab: Alle Schwarzen Löcher, die bis dahin beobachtet worden waren, hatten Massen unter dem 20-Fachen der Masse unserer Sonne. Auch die Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher zu einem großen war ein rein theoretisches Konzept gewesen.

STANDARD: Wie geht es weiter in der Gravitationswellenastrophysik?

Wanner: Wir können nun Neues erfahren, indem wir das Universum mit Gravitationswellen beobachten. Es gibt Objekte, die kein Licht aussenden, aber Gravitationswellen ausstrahlen – etwa Schwarze Löcher. Wir sind auch interessiert an Supernovae und der Verschmelzung von Neutronensternen oder Weißen Zwergen.

STANDARD: Werden Gravitationswellen künftig eine ebenso wichtige Rolle in der Astronomie spielen wie elektromagnetische Wellen?

Wanner: Meine Meinung ist: auf jeden Fall. Wenn wir etwa weit hinausblicken ins Universum in Richtung Urknall, bekommen wir mit elektromagnetischen Wellen keine Informationen. Mit Gravitationswellen kommen wir viel näher an den Urknall heran. Auch wissen wir nichts über die Menge von Schwarzen Löchern, die da draußen sind – elektromagnetische Wellen haben uns darüber nichts verraten. Wenn ihre Anzahl viel höher ist, als wir annehmen, könnten wir vielleicht auch Dunkle Materie erklären.

STANDARD: Welche technischen Voraussetzungen sind dafür nötig?

Wanner: Es ist gar nicht so einfach zu sagen, was die nächsten Schritte sind, weil auf sehr vielen Ebenen parallel gearbeitet wird. Zum einen arbeitet Ligo (US-Gravitationswellenobservatorium, Anm.) daran, die Sensitivität zu verbessern. Der Gravitationswellendetektor Virgo ist nun fertig umgebaut, es wurden aber noch keine Messergebnisse veröffentlicht. Geo 600 (Detektor bei Hannover, Anm.) arbeitet weiter. Zusätzlich soll es Ligo India geben. Außerdem warten wir gespannt auf den japanischen Gravitationswellendetektor Kagra, und auch Studien für einen europäischen Detektor der sogenannten dritten Generation werden betrieben. Es gibt also viel Arbeit, allein schon auf der Erde. Parallel läuft die Arbeit für Detektoren im Weltall.

STANDARD: Sie sind am Erprobungssatellit Lisa Pathfinder der Europäischen Weltraumagentur (Esa) beteiligt, der 2015 gestartet ist. Was ist Ihr bisheriges Fazit?

Wanner: Lisa Pathfinder ist sehr erfolgreich gewesen. Die Mission hat gezeigt, dass die Technologie für Lisa (geplanter Gravitationswellendetektor im All, Anm.) funktioniert.

STANDARD: Wo stehen die Vorbereitungen für die Mission Lisa nun?

Wanner: Wir haben ein Konzept bei der Esa eingereicht. Darin haben wir vorgeschlagen, dass wir gerne ein Laser-Dreieck mit 2,5 Millionen Kilometer Armlänge hätten, drei identische Satelliten, 30-Zentimeter-Teleskope. Jetzt wird das von einem Expertenteam der Esa überprüft. Die Esa plant, 2034 einen Gravitationswellendetektor ins All zu schicken. Wegen der positiven Ergebnisse von Ligo und Lisa Pathfinder ist das Interesse an einem früheren Starttermin aber sehr hoch.

STANDARD: Wann ist es so weit?

Wanner: Ich denke, Lisa wird zwischen 2030 bis 2034 starten, dann dauert es ein paar Monate, bis der Orbit erreicht ist. Anschließend richten sich die drei Satelliten aufeinander aus. Wenn das Laser-Dreieck erst einmal steht, werden wir sofort Gravitationswellen messen. Das werden viele Signale gleichzeitig sein – dabei wird spannend, all diese Gravitationswellen auseinanderzudividieren.

STANDARD: Was ist Ihre Aufgabe?

Wanner: Ich bin Expertin für Laser-Interferometrie und bin bei Lisa Pathfinder an der Datenanalyse beteiligt. Für Lisa habe ich die Interferometrie für einen Prototyp mitentwickelt und Linsensysteme mitdesignt.

STANDARD: Wie unterscheiden sich die beiden Missionen?

Wanner: Bei Lisa dreht sich alles darum, die Signale von Gravitationswellen zu analysieren. Bei Lisa Pathfinder geht es darum, das Rauschen zu verstehen – da gibt es keine Gravitationswellensignale. Je besser man das versteht, umso eher kann man Störungen unterdrücken und so Lisa verbessern.

STANDARD: Hat Sie der Gravitationswellen-Nachweis überrascht?

Wanner: Nein, aber wenn man jahrelang darauf wartet, ist der Zeitpunkt, in dem es Wirklichkeit wird, ein beeindruckender Moment. (Tanja Traxler, 20.4.2017)