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Viele Arbeitgeber würden sich selber fünf Sterne geben – aber ob die Unternehmenskultur tatsächlich so gut ist, weiß man als Bewerber nur selten. Mit den richtigen Fragen im Bewerbungsgespräch bekommt man zumindest einen besseren Einblick.

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Ob jemand zufrieden – oder gar glücklich – in seinem Beruf ist, hängt oft nicht mit den Dingen zusammen, die Unternehmen in ihren Stellenausschreibungen so anpreisen. Aber nach der Stimmung in der Firma – der sogenannten "Unternehmenskultur" – lässt sich nur schwer fragen im Vorstellungsgespräch. Und wenn, dann muss der oder die Bewerberin mit einer verstellten Antwort rechnen.

Ein guter Weg, um hinter die Fassade der Eigenwerbung zu blicken, ist es natürlich, mit dort Tätigen zu sprechen. Wer solche Möglichkeiten nicht hat, kann noch immer auf Arbeitgeber-Bewertungsplattformen wie "Kununu" zurückgreifen. Aufgrund der Anonymität derjenigen, die dabei Bewertungen verfassen, ist aber auch dort die Frage nach der Authentizität berechtigt – deutlich wird das etwa am Beispiel Mediengruppe Österreich: Fast alle Bewertungen sind katastrophal, aber eine einzige spricht vom "Top-Arbeitgeber mit viel Gestaltungsfreiraum".

Eine weitere Chance sind weniger offensichtliche Fragen für das Vorstellungsgespräch. Zum Beispiel:

Wie lange sind Sie schon im Unternehmen?

Entlarvend ist diese Frage, wenn man die Möglichkeit hat, sie gleich mehreren Gesprächspartnern zu stellen. Fällt die Antwort bei allen ähnlich kurz aus, ist Vorsicht geboten. Handelt es sich nicht um ein Start-up, ist hohe Fluktuation nämlich kein gutes Zeichen.

Welcher Erfolg wurde zuletzt gefeiert?

Bei dieser Frage wird sich einerseits zeigen, ob Erfolge von Mitarbeitern gewürdigt werden, andererseits aber auch, ob das Gegenüber einen guten Überblick hat. Ist das nicht der Fall, stimmt höchstwahrscheinlich etwas mit der internen Kommunikation nicht ganz.

Gibt es hier einen bestimmten Dresscode?

Natürlich – in manchen Jobs ist diese Frage obsolet. Wo sie es aber nicht ist, kann sie ein guter Gradmesser dafür sein, wie locker – oder eben streng traditionell – es in der Firma zugeht.

Gibt es Aktivitäten für oder von Mitarbeitern?

Vom Fußballspielen am Dienstagabend über das gemeinsame Frühstück bis zum Spendensammeln – da passiert in vielen Firmen einiges. Mal "von oben" vorgeschlagen, aber meist auf eigene Initiative. Zwar muss es nicht heißen, dass die Stimmung schlecht ist, wenn es diesen Austausch nicht gibt. Aber für das Gesamtbild ist so ein Eindruck doch oft hilfreich.

Was war die letzte große Herausforderung hier im Unternehmen?

Wahrscheinlich wird es nicht viele Firmen geben, die sich hier in die Karten blicken lassen wollen. Wer ehrlich antwortet und Einblick gewährt, punktet. Hier lohnt es sich dann, bei der Antwort darauf zu achten, ob bei Misserfolgen oder Fehlern gleich auch "Schuldige" genannt werden oder der Fokus darauf liegt, wie aus den Problemen nun gelernt wird. Außerdem kann aus den Antworten auch hervorgehen, wie stark "politisch" im Unternehmen vorgegangen wird – ob es etwa Rivalitäten zwischen Abteilungen gibt.

Wie häufig sind Eigentümer/Gründer/Geschäftsführer im Büro?

Sind die Führungspersonen gut erreichbar und zeigen Präsenz, oder kennt man den Chef oder die Gründerin nur vom Foto, das im Gang hängt? In großen Unternehmen und Konzernen wird man jene in den Top-Jobs höchstwahrscheinlich nur selten zu Gesicht bekommen, aber gerade in kleineren Unternehmen sagt die Antwort einiges über die Zusammenarbeit dort aus. Und wenn es heißt, dass der oder die Betroffene die meiste Zeit hier ist und es auch sehr schätzt, wenn die Angestellten viel Präsenz zeigen, ist diese Aussage auch ein wichtiger Indikator für die eigene Arbeitszeit.

Wie verbringen meine künftigen Arbeitskollegen ihre Mittagspause?

Hier kann sich zeigen, ob die Mitarbeiter so gestresst sind, dass nur Zeit für einen schnellen Imbiss ist, oder ob man sich ausreichend Zeit nehmen kann. Je nachdem, wo die eigenen Interessen liegen, bekommt man auch hier ein Gefühl für den Arbeitsalltag.

Nach welchen Kriterien wird Erfolg gemessen und in welchem Zeithorizont?

Hier wird sich vermutlich zeigen, wie realistisch die Erwartungen sind und ob Druck eine wesentliche Rolle in der Firma spielt. Aber auch, ob man selber bei den Zielen und im Zeitplan mitgestalten und mitsprechen kann.

Nutzen manche Mitarbeiter flexible Arbeitszeitmodelle wie Homeoffice oder Ähnliches?

Gleitzeit gibt es ja bereits für sehr viele – aber häufig muss doch eine fixe Kernzeit eingehalten werden. Hier lohnt es sich nachzuhaken, ob Flexibilität gegeben ist oder lieber strikt nach Stechuhr vorgegangen wird. Auch bezüglich Urlaub und Urlaubsplanung kann in diese Richtung nachgefragt werden.

Nutzen Mitarbeiter aktuell Weiterbildungsmöglichkeiten? Welche gibt es?

Auch hier gilt: Es ist immer besser zu fragen, ob es aktuell jemanden gibt, der Angebot XY nutzt, als zu fragen, ob es ein Angebot gibt. Wenn das Gegenüber nicht nur einsilbig antwortet, wird außerdem deutlich, wie sehr Weiterbildung und persönliches Fortkommen im Unternehmen generell wertgeschätzt werden.

Könnte ich mir den Arbeitsplatz kurz ansehen?

Die perfekte Frage zum Schluss – vorausgesetzt natürlich, das Gespräch findet in dem Unternehmen und nicht irgendwo außerhalb statt. Hier ist die Chance, einen wirklichen Einblick in das Unternehmen zu bekommen, am größten. In manchen Gesprächen hat man außerdem die Möglichkeit, sich mit zukünftigen Kolleginnen und Kollegen zu unterhalten. Auch das ist natürlich ein Bonuspunkt. (lhag, 20.4.2017)