Hat für ihre Lichtkunst bei der Biennale in Venedig einen White Cube an den Österreich-Pavillon angebaut: Brigitte Kowanz.

Foto: APA / Georg Hochmuth

Wien – Daten aus dem globalen Dorf als Kunstwerkzeug, Licht, Transparenz und Transzendenz als Baustoff für ihre Installationen, die den Raum in die Unendlichkeit zu öffnen scheinen: Brigitte Kowanz, die 2009 mit dem Großen Österreichischen Staatspreis für Bildende Kunst ausgezeichnet wurde, zählt zu den österreichischen Pionierinnen der transmedialen und der Lichtkunst.

"Von den luminaren Bildern, Objekten und Installationen geht die Künstlerin weiter zur Inszenierung von Lichträumen, die den Betrachter umfangen und poetisch irritieren", schrieb der Kurator Rainer Fuchs. Immer ist ihre experimentelle Kunst so auch eine Grenzüberschreitung, eine Überwindung begrenzter und begrenzender Architektur. Auch in Venedig wird sie den an den Pavillon angedockten White Cube und damit gleichzeitig unsere digitale Welt mit ihren Neonlicht-Raumbildnissen im wahrsten Wortsinn erhellen.

STANDARD: Ihre Arbeiten und die von Erwin Wurm haben wenig Berührungspunkte. Hat Ihnen Biennale-Kommissärin Christa Steinle gesagt, warum sie Sie beide zusammengespannt hat?

Kowanz: Sie sagt, dass sie uns beide schätzt: bei Erwin die Erweiterung im skulpturalen Bereich und bei mir die immaterielle Erweiterung des Bild-Raum-Bereichs. Und nachdem sie die Biennale wohl nur einmal kuratiert, hat sie uns eben zusammengespannt. Es ist, wie es ist – und ich bin letztlich sehr froh darüber, denn es schaut wirklich gut aus und funktioniert auch. Erwin hat seinen, ich meinen Bereich, es sind sehr unterschiedliche Beiträge, aber zusammen machen sie was. Es ist wirklich gut geworden.

STANDARD: Warum gibt es von Ihnen beiden eigentlich keine gemeinsamen Interviews?

Kowanz: Das müssen Sie vielleicht Erwin Wurm fragen. Wir gestalten den diesjährigen Biennale-Beitrag, aber es herrscht eine sehr professionelle Trennung.

STANDARD: Stand die Trennung von Anfang an fest – oder haben Sie darüber diskutiert?

Kowanz: Nein, wir haben nicht diskutiert, schon die erste Besprechung haben wir nicht gemeinsam gemacht. Auch später haben wir übrigens kaum über die Arbeit, sondern eher über das Organisatorische geredet. Vielleicht war das ja gut so. Also, ich wurde vor vollendete Tatsachen gestellt, dass Erwin den Innenraum bespielen will. Den Pavillon zu teilen war für ihn undenkbar. Ich war zunächst schon ziemlich überrascht, denn im Außenraum könnte ich meine Arbeiten wegen der Lichtverhältnisse ja nicht realisieren.

STANDARD: Haben Sie je gedacht abzusagen?

Kowanz: Ja, ich habe mit dem Gedanken gespielt, denn ich dachte schon: Welchen Rucksack muss ich tragen? Aber dann war mir recht schnell klar, dass ich einen eigenen Raum im Garten baue, der direkt an den Pavillon andockt. Man kommt jetzt durch den Haupteingang geradeaus direkt zu mir.

STANDARD: Ist Ihr Zubau eine temporäre Lösung, oder könnte er auch dauerhaft bleiben?

Kowanz: Es wäre großartig, wenn er bleiben könnte, ich hoffe, die Verantwortlichen sehen das auch so. Es ist ein idealer White Cube. Und bisher hat noch jeder mit dem Pavillon gekämpft, weil er immer zu klein ist.

STANDARD: Das Biennale-Budget beträgt insgesamt 400.000 Euro. Wie wurde der Zubau finanziert?

Kowanz: Der Zubau wurde durch Sponsoren finanziert. Tatsache ist, dass Erwin und ich unsere künstlerischen Beiträge selbst finanziert haben. Richtigstellen möchte ich an dieser Stelle, dass Wurm nicht, wie er behauptet, zu meinen Gunsten auf Produktionskosten verzichtet, sondern dass das Budget generell nicht gereicht hat. Nicht nur Erwin, auch ich habe meine Produktion selbst finanziert. Ich mache beispielsweise ein großes Projekt, das ich in die Biennale-Arbeit reinvestiere. Die 400.000 Euro vom Ministerium gehen fast zur Gänze für Infrastruktur, Transport, Pressearbeit, Wachpersonal drauf. Für unsere Produktionen blieb da nichts.

STANDARD: Wie viel mussten Sie selbst an Geldern aufstellen?

Kowanz: Eine sechsstellige Summe, da geht man schon ein großes Risiko ein.

STANDARD: Das heißt, dass man sich als Künstler die Biennale eigentlich leisten können und dass man gut vernetzt sein muss?

Kowanz: Es heißt, dass man seine Arbeit selbst produzieren, die Finanzmittel selbst aufstellen können muss. Die Biennale ist für die Künstler eine große Herausforderung – in allen Bereichen. Aber nun steht es – und ich bin sehr zufrieden damit.

STANDARD: Ich habe diese Frage auch Erwin Wurm gestellt: Alfred Schmeller, zwischen 1969 und 1979 Direktor des 20er-Hauses, schrieb von der "Sehschlacht am Canal Grande". Sind Länderpavillons und nationaler Kunstwettbewerb noch zeitgemäß?

Kowanz: Ich mag die Biennale wirklich sehr und finde das Ambiente mit den verschiedenen Häusern für die Kunst besonders schön. Aber natürlich verstehe ich die Kritik an dieser Art Ländermatch – und dass es am Ende einen Goldenen Löwen gibt, verstärkt den Eindruck noch. Aber ein Konkurrenzkampf kann auch positiv sein, man strengt sich sehr an für die Biennale. Das kann ich, glaube ich, für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer sagen. Man muss dort was Gutes hinstellen.

STANDARD: Glauben Sie, dass Ihr und Wurms Biennale-Beiträge Chancen auf einen Löwen haben?

Kowanz: Ich glaube ernsthaft, dass unsere Beiträge herausstechen werden. Aber Löwe? Nein. Ich weiß, dass da viele andere Komponenten hineinspielen, insofern mache ich mir keine Hoffnung, obwohl ich glaube, dass wir beide Arbeiten abgeliefert haben, die es verdienen würden.

STANDARD: Raum und Licht sind die wichtigsten Parameter Ihrer Kunst. Der Titel Ihrer Biennale-Arbeit lautet "Infinity and beyond": Was bedeutet das?

Kowanz: Es geht um die Schnittstelle von konkretem und virtuellem, begrenztem und unendlichem Raum. Die Arbeit greift eine technische Errungenschaft auf, die unser Leben komplett verändert hat: die Digitalisierung. Wir sind ständig konfrontiert mit Dingen, die wir sicher nicht begreifen, mit denen wir aber ganz selbstverständlich umgehen.

STANDARD: Und Sie, verstehen Sie es?

Kowanz: (lacht) Nein. Natürlich nicht. Die ganze Digitalisierung ist für uns nicht fassbar, ebenso wenig wie die Unendlichkeit oder der Urknall. Dieser Konflikt ist unsere Realität: Mit zunehmender Information steigt auch die Ungewissheit. (Andrea Schurian, 18.4.2017)