Das Innere des Riesenschiffsbohrwurms flutscht aus seiner Kalkschale.

Marvin Altamia

Schwarz, glitschig und rund einen Meter lang: das erste lebende Exemplar von Kuphus polythalamia mit den beiden Siphonausgängen am Ende. Einer dient zur Aufnahme des Meerwassers, der andere scheidet es wieder aus.

Marvin Altamia

Manila/Wien – Man würde meinen, dass in der Zoologie nicht mehr allzu viele spektakuläre Entdeckungen zu machen sind. Doch ab und zu kommt es doch vor, dass Biologen auf Lebewesen stoßen, die noch im 21. Jahrhundert für einige Verwunderung sorgen.

Genau so etwas ist US-Zoologen um Daniel Distel mit dem Riesenschiffsbohrwurm passiert, von dessen Existenz man zwar schon seit Jahrhunderten weiß, von dem jedoch noch nie ein lebendes Exemplar gefunden und untersucht worden war.

"Termiten der Meere"

Gewöhnliche Schiffsbohrwürmer leben im Salzwasser, werden rund 20 Zentimeter lang und ernähren sich von Holz. Die Tiere, die in einer Kalkhülle stecken, werden daher als Termiten der Meere bezeichnet und sind gefürchtet: Haben sie das Holz – etwa von Schiffen oder Pfählen – erst einmal zu beknabbern begonnen, hilft kein Gegenmittel mehr.

Aufgrund ihrer seltsamen Form zählte Linné die Tiere zu den Würmern, tatsächlich sind sie aber Muscheln mit einer zweiklappigen Schale. Und Riesenschiffsbohrwürmer, die mit der Kalkhülle wie der Stoßzahn eines Elefanten aussehen, sind mit bis zu eineinhalb Meter Länge auch die längsten Muscheln der Welt.

Fund auf den Philippinen

Bis vor kurzem kannte man von Kuphus polythalamia, der einzigen heute noch existierenden Spezies der Gattung Kuphus, freilich nur die Gehäuse. Der erste "Fang" eines lebenden Tiers gelang dem Team um Distel (Northeastern University) erst vor kurzem auf den Philippinen, wo man gleich eine ganze Population in einer Bucht entdeckte, in der es besonders viel Totholz und Schlamm gibt.

Distel zog mit seinen Kollegen einen Riesenschiffsbohrwurm aus dem nach faulen Eiern stinkenden Schlamm, brachte es in ein Laboratorium der Uni Manila und meißelte anschließend den Vorderteil der Kalkhülle ab, wie im folgenden Video zu sehen ist.

Before It's News

Alternative Energieversorgung

Daraus glitt ein bizarres glitschiges Etwas, das die Forscher gleich mehrfach überraschte. Zum Ersten war der "Wurm" anders als alle anderen Schiffsbohrwürmer schwarz und zudem recht muskulös. Zum Zweiten zeigte sich bei genauerer Untersuchung eine einzigartige Form der Energieversorgung, die Distel schon vor 20 Jahren vermutet hatte und nun im Fachblatt "PNAS" bestätigen konnte.

Die Muscheln nehmen schwefelwasserstoffhaltiges Wasser auf, aus dem spezielle Bakterien, die in den Kiemen der Tiere leben, ihre Energie gewinnen. Zugleich geben die Mikroben den Muscheln Kohlenstoff ab, von dem diese leben. Kuphus polythalamia hat also im Vergleich zu seinen Verwandten die Energieversorgung völlig umgestellt: von Holz auf ein sehr faulig riechendes Gas (siehe Grafik).

University of Utah

Eklig-ästhetischer Nachsatz

Die britische Zeitung "Guardian" hat übrigens auch noch den Biologen und TV-Moderator Simon Watt zum Fund befragt. Watt, seines Zeichens Präsident der Ugly Animal Preservation Society, begrüßte die Entdeckung – wie nicht anders zu erwarten – ausdrücklich: "Das sieht zwar monströs aus, aber das bedeutet nicht, dass es nicht auch wunderbar ist." Watt ließ jedenfalls die Ausrede gelten, dass sich die Kreatur in einer Umgebung entwickelt hat, die ebenfalls "ziemlich eklig" sei: "Wenn man in solchen Dreckslöchern zu Hause ist, dann haben ästhetische Fragen sicher nicht oberste Priorität." (tasch, 19.4.2017)