Die EU-Kommission wurde am Dienstag von der Ankündigung der vorgezogenen Wahlen in Großbritannien vollkommen überrascht. Premierministerin Theresa May hatte den Coup vor ihrem Amtssitz in London verkündet, noch während die (jeden Tag zu Mittag beginnende) Presseinformation eines Kommissionssprechers in Brüssel lief.

Nach einer ersten Reaktion der Kommissionsspitze befragt, konnte dieser nur ausweichend antworten: "Wir sind es gewöhnt, niemals auf Ereignisse zu reagieren, die geschehen, nachdem wir hier aufs Podium gestiegen sind. Das ist hier der Fall", sagte der Sprecher und stellte eine Erklärung für Mittwoch in Aussicht. Unklar blieb daher auch die Frage, welche Konsequenzen der Wahlgang für die anstehenden EU-Austrittsverhandlungen habe.

May hatte den offiziellen Antrag auf EU-Austritt gemäß Artikel 50 des EU-Vertrages erst vor knapp drei Wochen gestellt. Bevor die Gespräche durch EU-Chefverhandler Michel Barnier gestartet werden können, müssen die Staats- und Regierungschefs der EU-27 noch die "Leitlinien" dazu beschließen. Dies sollte am 29. April bei einem kurzen EU-Sondergipfel sein.

Laut dem Ständigen Ratspräsidenten Donald Tusk werde sich "an den Plänen auch nichts ändern", teilte sein Sprecher in Brüssel mit. Es sei davon auszugehen, dass die Verhandlungen – wie vorgesehen – am 22. Mai beginnen.

Ob das tatsächlich so bleibt, muss sich erst zeigen. Tusk hat Dienstag mit May telefoniert, in "einem guten Gespräch", wie er via Twitter bekanntgab. "Es war wohl (Alfred) Hitchcock, der beim Brexit Regie führte", erklärte er in einer Anspielung auf das Prinzip des in Großbritannien geborenen Filmregisseurs und Großmeisters des Suspense, der einmal sagte: "Ein guter Film sollte mit einem Erdbeben beginnen, dann wird die Spannung gesteigert." Der Ratspräsident führt den Vorsitz bei EU-Gipfeln der Staats- und Regierungschefs und bestimmt die Tagesordnung.

Auf Ebene der Berater der Regierungschefs sind die Arbeiten für die EU-Leitlinien zum Brexit weit gediehen, so wie im Europäischen Parlament, das eine noch härtere Linie wünscht. Grundsätzlich soll vereinbart werden, dass es keinerlei Einzelverhandlungen von EU-Staaten mit London gibt. Die EU-27 sollen geschlossen auftreten. Klar ist als Regel auch, dass Großbritannien nach dem EU-Austritt schlechtergestellt sein wird müssen als die EU-Mitglieder. Inwieweit es im Binnenmarkt bleiben will und kann, ist offen. (Thomas Mayer aus Brüssel, 18.4.2017)