Kathrin Unterwurzacher hat bei der EM in Warschau Silber zu verteidigen.

Foto: APA/Groder

Langfristiges Ziel ist natürliche eine Medaille in Tokio bei den Olympischen Spielen 2020.

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Wien – Kathrin Unterwurzacher (24) nimmt nur auf der Matte in den Schwitzkasten. Und nicht zu Demonstrationszwecken: "Lieber nicht, ich bin eher eine Würgerin", sagt die Tirolerin. Marian Urdabayeva weiß, wovon Unterwurzacher spricht. Schauplatz Antalya, Grand Prix vor zwei Wochen: Mit einer Waza-ari-Wertung lag die Kasachin gegen die Würgerin in Führung, dennoch gelang dieser per Festhaltegriff ein Ippon-Sieg. Unterwurzacher feierte damit ihren siebenten Erfolg auf der World Tour. "Dass sie die Nerven behalten hat, obwohl sie in Rückstand war, das war ein sehr gutes Zeichen", sagte Damenbundestrainer Marko Spittka.

Der Finalkampf Unterwurzachers in Antalya.
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Bei Olympia in Rio wurde Unterwurzacher Siebente. Als Dritte der Weltrangliste in der Klasse bis 63 Kilogramm trägt sie die größten Medaillenhoffnungen für Österreichs Damen bei der Judo-EM in Warschau (20. bis 23. April). Im Vorjahr gab es bei der EM in Kasan Silber, eine weitere Medaille ist das logische Ziel, weil "ich weiß, dass ich an einem guten Tag alle schlagen kann". Auch Spittka sieht das so, allerdings kamen in Rio alle vier Medaillengewinnerinnen aus Europa, "es gibt also viele Anwärterinnen".

Zweikampf um Olympia-Ticket

Bernadette Graf (24), wie Unterwurzacher aus Innsbruck und in Rio Fünfte der Klasse bis 70 Kilo, fehlt in Polen nach einer Schulter-OP. Die Wienerin Magdalena Krssakova (23) gewann zuletzt den Grand Prix von Tiflis, in der gleichen Gewichtsklasse wie Unterwurzacher wohlgemerkt. Bei EM und WM gibt es zwei Startplätze pro Klasse, für Olympia 2020 in Tokio aber nur einen. "Das ist noch so weit weg, dass es sinnlos wäre, sich jetzt um einen Konkurrenzkampf zu sorgen", sagt Unterwurzacher.

Lust auf Japan

Die Tirolerin ist in der Vorbereitung auf die EM nicht spazieren gegangen. Judo bedeutet auch Enthaltung und Quälerei, die "ich aber nicht als so schlimm empfinde". Der Weg führt unweigerlich ins Geburtsland des Judo. "Jeder Judoka will einmal nach Japan. Diesen Weg muss man gehen, wenn man nach vorne will. Für mich ist das eine Freude", sagt Unterwurzacher im Gespräch mit dem STANDARD.

In Österreich müssen sich die besten Judoka aufs Krafttraining konzentrieren, für das Mattentraining fehlen die Partner. "In Japan wird sechsmal die Woche drei Stunden pro Tag nur Judo trainiert. Das ist beinhart und bei uns gar nicht möglich." Auf der Matte stehen Wettkampfgegner, es gilt so viele Kampfstile wie möglich kennenzulernen und zu simulieren. "Es gibt kein Verstecken, es wird mit offenen Karten gespielt."

Lust auf Türkei

Unterwurzacher sitzt viel im Flieger, 200 Tage im Jahr ist sie unterwegs. Das bedeutet Reisestrapazen, denen sie schon Tribut zollen musste. Ende 2015 erlitt sie eine Lungenembolie. Unterwurzachers Glück war, dass die Krankheit früh erkannt worden war. "Ich nehme nun vor dem Fliegen Blutverdünnungsmittel, trinke viel mehr und gestalte das Abnehmen anders, als es optimal wäre." Das "Gewicht machen" läuft nicht mehr über komplette Dehydration. Der Speiseplan enthält wenig Kohlenhydrate. "Du freust dich dann schon wieder auf normales Essen." Bei zehn bis 15 Wettkämpfen pro Jahr ist es ein Auf und Ab.

Unterwurzacher kann sich als Heeressportlerin voll und ganz dem Judo widmen. Ein Zubrot lässt sich in der Golden League verdienen, der EM der acht besten Judoklubs. Als Legionärin holte die Tirolerin vor Weihnachten für Galatasaray Istanbul eine Bronzemedaille. Dass das Verhältnis zwischen Österreich und der Türkei politisch gespannt ist, interessiere auf der Matte niemanden. Für Unterwurzacher war es eine "lässige Erfahrung. Die türkischen Betreuer haben mich aufgenommen, wie wenn ich zu ihnen gehören würde. "In den Medien wird oft ein negatives Bild von der Türkei gezeichnet, ich habe nur freundliche Menschen dort kennengelernt." (Florian Vetter, 19.4.2017)