Berlin/Ankara – Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hat den OSZE-Bericht über Mängel beim Verfassungsreferendum zurückgewiesen. Der Bericht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa enthalte mehrere Fehler, die absichtlich eingefügt worden seien, sagte Cavusoglu am Mittwoch. Der Bericht der Beobachtergruppe sei nicht objektiv und "extrem parteiisch". OSZE-Beobachter hatten kritisiert, dass bei der Wahl gegen internationale Standards verstoßen worden sei.

Nach der größten Oppositionspartei, der sozialdemokratischen CHP, beantragte am Mittwoch auch die prokurdische HDP bei der Wahlkommission die Annullierung des Ergebnisses. Die Abstimmung sei unter Notstandsrecht abgehalten worden, begründete Parteivize Mithat Sancar den Schritt. Führende Politiker der HDP seien verhaftet, Parteimitglieder als Wahlbeobachter abgelehnt und staatliche Mittel für die "Ja"-Kampagne missbraucht worden. Außerdem seien nicht abgestempelter Wahlscheine verwendet worden.

Wahlkommission lehnt Beschwerden ab

Die türkische Wahlkommission hat Medienberichten zufolge die Anträge der Opposition auf Annullierung des Referendums vom Sonntag abgelehnt. Die Beschwerden gegen den Ablauf des Volksentscheids über die Einführung eines Präsidialsystems seien zurückgewiesen worden, wie der Sender NTV und CNN Türk am Mittwoch meldete. Das Votum der Kommission fiel demnach mit zehn zu einer Stimme aus.

Bei der Abstimmung hatten 51,4 Prozent für eine Verfassungsänderung gestimmt, mit der die Macht beim Präsidenten konzentriert wird. Damit könnte Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan künftig per Dekret regieren, den Ausnahmezustand beschließen, das Parlament auflösen oder Minister entlassen. Erdoğan zufolge sind die Änderungen nötig, um in unruhigen Zeiten eine starke Führung zu garantieren. Kritiker sehen dagegen Demokratie und Menschenrechte in Gefahr.

Keine Koordination

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatte eine fehlende Bereitschaft der türkischen Regierung zur Klärung von Manipulationsvorwürfen beim Verfassungsreferendum kritisiert. "Von einer Kooperation kann leider keine Rede sein", sagte Michael Georg Link, Direktor des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Mittwoch.

"Fest steht, dass die kurzfristige Entscheidung der Wahlkommission, falsch oder gar nicht gestempelte Wahlzettel als gültig zu werten, einen Verstoß gegen türkisches Recht darstellt", sagte Link zu den Vorwürfen, es seien gegen das Gesetz auch Stimmzettel verwendet worden, die nicht von der Wahlbehörden gestempelt worden waren. Der oberste Wahlbeobachter der OSZE wies Anschuldigungen aus Ankara zurück, Vertreter seiner Behörde seien bei der Beobachtung der Abstimmung voreingenommen gewesen.

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel bot der Regierung in Ankara erneut Gespräche über die weitere Zusammenarbeit an. "Unsere Hoffnung ist, dass wir nach diesem schwierigen Wahlkampf und nach den großen Auseinandersetzungen auch neue Gesprächskanäle zur Türkei eröffnen können", sagte er bei einem Besuch im Golf-Emirat Kuwait.

Gabriel wies die Forderung der deutschen Opposition nach einem Abzug der Bundeswehr aus der Türkei zurück. "Ich glaube auch nicht, dass das irgendeinen Eindruck in der Türkei macht", sagte der SPD-Politiker. Die Bundeswehr beteiligt sich vom türkischen Incirlik aus mit Tornado-Aufklärungsjets und einem Tankflugzeug an den Luftangriffen gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien und im Irak. Auf der Luftwaffenbasis sind etwa 260 deutsche Soldaten stationiert. (APA, 19.4.2017)