Stellt das Bundesverwaltungsgericht infrage: Tirols Landeshauptmann Günther Platter.

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Ausschlaggebend war der Spruch zum Flughafen Wien, der dem Ausbau der dritten Piste eine Absage erteilte.

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Frage: Wozu gibt es Verwaltungsgerichte?

Antwort: Es gibt neben dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht neun Landesverwaltungsgerichte. Seit nunmehr drei Jahren gelten sie als einheitliche gerichtliche Instanz bei Verwaltungsverfahren. Ziel der Reform war es, politische Interessen bei Verwaltungsfragen zurückzudrängen. Die Gerichte sind für Soziales, Wirtschaft, Umwelt, Recht, persönliche Rechte, Fremden- und Asylwesen zuständig.

Frage: Warum protestieren die Landeshauptleute?

Antwort: Die Landeshauptleute und ihr Vorsitzender Günther Platter haben einen Brief an Bundeskanzler Kern geschrieben, in dem sie die Instanz des Bundesverwaltungsgerichts bei Umweltthemen infrage stellen. Die Entscheidung, ob Umwelt- über öffentlichen Interessen stehen sollen, dürfe nicht von Richtern getroffen, sondern solle von "demokratisch legitimierten Organen" getroffen werden, heißt es in dem Schreiben. Nur sie hätten über die "weitere Entwicklung von Bund und Ländern zu bestimmen".

Frage: Dass Gerichte auch gegen die Interessen der Politik entscheiden können, ist ja eigentlich die Idee einer unabhängigen Justiz. Was bewegt Platter zu dieser umfassenden Kritik?

Antwort: Es geht um die Vorrangstellung der Politik, die Platter anscheinend vermisst. Die Landeshauptleute wollen eine Neuordnung des Umweltrechts im Umweltverträglichkeitsgesetz. Sie soll eine "faire Interessenabwägung und Wertentscheidung" und eine "Beschleunigung der Genehmigungsverfahren" beinhalten. Hintergrund ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das den Bau einer dritten Piste am Flughafen Wien untersagte. Begründet wurde das Erkenntnis mit einem erhöhten CO2-Ausstoß bei einer Steigerung des Flugverkehrs.

Frage: Also geht es eigentlich um wirtschaftliche Interessen, die über Umweltanliegen stehen sollen?

Antwort: Für die Landeshauptleute schon. Aber das Bundesverwaltungsgericht hat den Entscheid auf Basis von Gesetzen getroffen. Das sagt auch Verfassungsexperte Heinz Mayer im ORF-Radio. Es gebe ein Bundesverfassungsgesetz aus dem Jahr 2013, in dem sich die Politik zum nachhaltigen Umweltschutz bekennt. Außerdem hat Niederösterreich in seiner Landesverfassung festschreiben lassen, dass Klimaschutz besondere Bedeutung erhalten soll. "Also, man hat ein Gesetz gemacht, wo man Umweltschutz ganz besonders betont, und wundert sich dann, dass die Gerichte die Gesetze beachten. Das ist Politik mit Augenzwinkern", resümiert Mayer.

Frage: Was wollen dann die Landeshauptleute überhaupt?

Antwort: Es ist eine Machtfrage, sie wollen politisches Durchgriffsrecht und mitreden, wann wirtschaftliche Interessen wichtiger sind und wann nicht. Unterstützt werden sie dabei von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Auch er will eine "saubere Trennung, welche Entscheidungen Gerichte treffen können und welche die Politik". Ansonsten entstehe dem Wirtschaftsstandort Österreich ein massiver Schaden.

Frage: Und was sagt der zuständige Minister dazu?

Antwort: Das Bundesverwaltungsgericht ist dem Bundeskanzleramt und nicht dem Justizministerium unterstellt. Daher trägt Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) die Verantwortung. Er ist verärgert und weist die Kritik an den Verwaltungsgerichten zurück: "Ich bin nicht der Meinung, dass man aufgrund von Unzufriedenheit mit Urteilen die Gerichtsbarkeit infrage stellen sollte, und weise diese Deutung zurück." Er betont die positive Bilanz der Verwaltungsgerichte. Man müsse über die Ausgestaltung der Gesetze und nicht der Gerichte sprechen. In der nächsten Woche stehe ein Gespräch mit Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) bezüglich des Umweltverträglichkeitsgesetzes an und eines mit Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ), um das Luftfahrtgesetz zu besprechen. Offen ist Drozda auch für den Vorschlag von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP), Standortinteressen ebenfalls als Staatszielbestimmung aufzunehmen.

Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) zeigt Verständnis für die Anliegen der Länder. Jedoch gehe es nicht um eine Entmachtung oder Zuständigkeit der Gerichte, sondern dass der Gesetzgeber den Rahmen vorgeben müsse.

Frage: Besteht jetzt eigentlich Reformbedarf bei den Verwaltungsgerichten?

Antwort: Nein, auf keinen Fall ihre Entscheidungsbefugnisse betreffend. Das betont etwa der grüne Verfassungssprecher Albert Steinhauser in einer Aussendung. Die Änderungsvorschläge der Landeshauptleute würden einen effizienten Rechtsschutz über Bord werfen. Das sieht auch sein pinkes Pendant Nikolaus Scherak so. Allerdings hat er Reformvorschläge, damit die Verwaltungsgerichte "noch unabhängiger werden". Er fordert eine richterliche und verfahrensrechtliche Ausbildung für Verwaltungsrichter – bisher müssen sie ein abgeschlossenen Jusstudium und eine fünfjährige Berufserfahrung vorweisen. Außerdem sollen seinen Vorstellungen nach die Befangenheits- und Unvereinbarkeitsregeln an die Erfordernisse für Richter angepasst werden. Damit könne politische Einmischung besser verhindert werden. (Marie-Theres Egyed, 19.4.2017)