Wien – "Wir sind jetzt drinnen", sagte Polizeisprecher Paul Eidenberger am Rand der Straßensperre, und auf die Nachfrage einer Journalistin antwortete er mit einem Grinsen: "Ja, wir haben das Haus übernommen. Wir hängen jetzt unsere Fahne raus." – "Ostern ist vorbei, alle Nester sind ausgeräumt", scherzte ein anderer Beamter kurz nach der Durchsuchung des vermeintlich besetzten Hauses in der Kienmayergasse 15. Der Schmäh machte seine Runde in Wien-Penzing, dabei hatte die Polizei im Vorfeld des Einsatzes offenbar auch eine Eskalation nicht ausgeschlossen.
Ein Panzerwagen vom Typ TM-170 war Mittwochvormittag vor dem Haus aufgefahren, ehe Einsatzkräfte der Sondereinheit Wega in Vollmontur und unter dem Schutz ihrer Schilde das zweistöckige Haus enterten. Insgesamt 150 Polizisten wurden zusammengezogen, nachdem zwanzig bis dreißig Aktivisten vergangenen Sonntag die Besetzung des Gebäudes verkündet hatten.
"Ob die Bullen 'deeskalieren' oder nicht, interessiert uns nicht! Bullen angreifen! Besetzungen verteidigen!", schrieben die Aktivisten in ihrem Blog, den sie am 20. März mit einem nebulösen Kommuniqué eingerichtet hatten: "Wir werden demnächst ein Haus besetzen, um einen Raum des Kampfes zu schaffen und uns ein Stück unseres Lebens zurückzuerobern."
"Bruch mit Eigentumslogik"
Die widerrechtliche Aneignung wollten sie als "bewussten Bruch mit einer Eigentumslogik" verstanden wissen, "die die Grundlage des kapitalistischen Systems darstellt". Ihre Kampfansage richtete sich konkret gegen den Immobilienprojekteur Vestwerk, der plant, das marode Haus zum Teil eines "modernen Wohn- und Ateliergebäudes" samt elf "Penthousewohnungen mit großzügig dimensionierter Terrasse" zu machen.
Am Montag versuchten Vertreter von Vestwerk noch, mit den Besetzern in Dialog zu treten. Sie wurden mit Eiern verjagt. Ein Ultimatum zum Verlassen des Hauses bis Dienstagmittag ließen die Aktivisten verstreichen, wonach der Besitzer die Behörden anrief.
Mehrere Häuserblocks um die Kienmayergasse wurden am Mittwochvormittag abgesperrt. Während die Exekutive gegen 10 Uhr damit begonnen hatte, das Stiegenhaus mit Kettensägen von Barrikaden aus Möbeln und Beton zu befreien, baten die Besetzer in dem Blog um Unterstützung vor Ort.
Zu diesem Zeitpunkt dürften sie das Haus aber bereits verlassen haben. Niemand wurde angetroffen, und keine Identität konnte festgestellt werden, als die Polizei kurz nach zwölf Uhr das Einsatzende verlautbarte, die Absperrbänder aufknüpfte und die Anrainer im dichten Schneetreiben zurück in ihre Wohnungen ließ.
Anders als bei der Räumung der sogenannten "Pizzeria Anarchia" im Juli 2014, eines besetzten Hauses in Wien-Leopoldstadt, kündigte die Polizei die Räumung diesmal nicht bereits Tage zuvor per Pressekonferenz an. Damals waren rund 1500 Polizisten von den frühen Morgen- bis in die Nachtstunden im Einsatz, um das schwer verriegelte Haus zu räumen. 19 Besetzer wurden festgenommen.
Die Aktivisten in der Kienmayergasse schienen der Polizei die neu entdeckte Spontaneität übel genommen zu haben: "Gestern noch 'blabla dialog blabla' und heut morgen um 10uhr standen sie da [sic]", schrieben sie nach der Räumung im Blog, und darunter: "wir sehn uns wieder! ;-)", (Michael Matzenberger, Video: Maria von Usslar, 19.4.2017)