Redebedarf bei Müller.

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Abgang Vidal.

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Schlechte Laune auch auf den Rängen.

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Cristiano Ronaldo: ganz oben.

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Madrid – Zu später Stunde ließ Karl-Heinz Rummenigge jegliche diplomatische Zurückhaltung fahren. "Ich habe zum ersten Mal so etwas wie wahnsinnige Wut in mir", knurrte der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern Dienstagnacht. Warum? "Weil wir beschissen wurden, wir sind beschissen worden, im wahrsten Sinne des Wortes."

Rummenigge traf die Gefühlslage der Deutschen nach dem Ausscheiden im Viertelfinale der Champions League auf den Punkt. Für das 2:4 (2:1, 0:0) nach Verlängerung bei Titelverteidiger Real Madrid war der Schuldige schnell gefunden: der ungarische Schiedsrichter Viktor Kassai. "Die Mannschaft in der Kabine ist in Trümmern", beschrieb Rummenigge die Szenen kurz nach der "unglücklichen, unverdienten, bitteren Niederlage" in einem "Spiel, das Geschichte geschrieben hat".

Unglück

Kassai hatte zunächst beim Stand von 2:1 für die Bayern Arturo Vidal ausgeschlossen (84.) – wegen einer Aktion, in der sich der Chilene ausnahmsweise korrekt verhielt. Beim vorentscheidenden 2:2 (105.) übersahen der Ungar und dessen Assistenten eine klare Abseitsstellung des dreifachen Torschützen Cristiano Ronaldo, beim 3:2 (110.), bei dem sich Torhüter Manuel Neuer eine Fraktur im linken Fuß zuzog, könnte der Portugiese auch einen Hauch zu weit vorne gestanden sein. Neuer blieb auf dem Platz, fällt aber für den Rest der Saison aus.

"Solch ein Diebstahl kann in der Champions League nicht passieren. Es war offensichtlich, und es lässt dich am Spiel zweifeln", ereiferte sich Vidal, der im Hinspiel (1:2) nach seinem Führungstreffer einen Elfmeter zum möglichen 2:0 vergeben hatte. "Es war nicht einmal Foul, geschweige denn eine gelb-rote Karte, das war ein Killer", ereiferte sich Rummenigge über die wohl spielentscheidende Szene und mehrere "kuriose Fehlentscheidungen".

Laut spanischen Medienberichten sollen Robert Lewandowski, der die Bayern zunächst in Führung gebracht hatte (52., Foulelfmeter), Thiago und Vidal nach Schlusspfiff versucht haben, in die Kabine von Kassai zu gelangen. Die Polizei musste angeblich einschreiten.

Der Schiedsrichter habe "extrem eingegriffen und das Ergebnis beeinflusst", sagte Thomas Müller. Dass Kassai allerdings auch vor dem Eigentor durch Sergio Ramos zum 2:1 (78.) danebengelegen war, weil er eine Abseitsstellung von Müller übersah, und dass der ungestüme Vidal bereits viel früher hätte Gelb-Rot sehen müssen, übersahen die Bayern. Auch der Elfer zugunsten der Deutschen, nachdem Arjen Robben im Zweikampf mit Casemiro zu Boden gegangen war, kann hinterfragt werden. Trotzdem klopften sich die Münchner auf die Schultern. "Wir haben eine tolle Mannschaft mit tollem Charakter", betonte Rummenigge.

Und wieder ein spanisches Ende

Nicht nur Neuer hielt bis zum Ende durch, auch die angeschlagenen Mats Hummels und Jerome Boateng, die Trainer Carlo Ancelotti von Beginn an aufgeboten hatte. Unter dem Strich aber blieb ein "verdientes Weiterkommen" von Real, wie Toni Kroos feststellte. Nachdem die Bayern unter Pep Guardiola dreimal im Halbfinale und gegen spanische Klubs (Real, Barcelona, Atlético) gescheitert waren, war nun unter Ancelotti erstmals seit 2011 vor dem Halbfinale Schluss.

Nun müssen sich die Bayern erneut mit den Trostpreisen Meisterschaft und Pokal anfreunden. Am Samstag geht es in der Liga gegen Mainz weiter, am Mittwoch steht das DFB-Pokal-Halbfinale gegen Dortmund an. Es sei zwar schwer, "jetzt darüber zu reden", meinte Müller, "aber natürlich ist das ein großes Ziel".

David Alaba war zerknirscht. "Wir haben alles gegeben. Es ist echt schwer, das Ergebnis zu akzeptieren", postete der ÖFB-Teamspieler in den sozialen Medien Facebook und Twitter.

Es gehe weiter, "das ist der Bayern-Spirit", ergänzte Xabi Alonso nach einer "großen Champions-League-Nacht", die aber nicht nur für ihn ohne Happy End blieb: Für den 35 Jahre alten Spanier war es ebenso wie für Kapitän Philipp Lahm der letzte internationale Auftritt. Eine Ära ist zu Ende.

Ronaldo: Neun bayerische Bummerln

Ganz anders die Gefühlslage bei Ronaldo. Mit seinen Champions-League-Treffern 98 bis 100 (76., 105., 109.) schoss er Real beinahe im Alleingang ins Halbfinale. "Es war ein denkwürdiger Abend, ich bin überglücklich", sagte der Portugiese, den Spielball in seinem Rucksack verstaut. "Ich versuche einfach nur immer das Beste zu geben."

Schon im Hinspiel (2:1) hatte Ronaldo zweimal getroffen, in sechs Duellen mit den Münchnern war er jetzt neunmal erfolgreich. Reals Hausblatt "Marca" schwärmte vom "König von Europa", die "As" schrieb über den "Mister Champions" mit der Nummer 7: "Cristiano zerstört die Bayern, nur er konnte den stolzesten Klub Europas erlegen." Trainer Zinédine Zidane meinte: "Ich bin glücklich, Cristiano zu haben. Fünf Tore in zwei Spielen – er macht den Unterschied, er ist der Heilsbringer."

Von der "Duodécima", dem zwölften CL-Titel, wollte Ronaldo noch nicht sprechen, das sei "zu früh". Die Polemik der Bayern, die Kassai für ihr Ausscheiden verantwortlich machten, wies er entschieden zurück. "Madrid war ohne Zweifel besser, wir sind der verdiente Sieger", sagte er nach dem siebenten Halbfinal-Einzug hintereinander (sid, 19.4.2017)