Vier Jahre nach dem Marktstart der Xbox One plant Microsoft kommende Weihnachten eine vielfach stärkere Nachfolgerin in den Handel zu bringen. Project Scorpio, wie das System vorläufig genannt wird, soll zwar keine Generationsablöse darstellen, da sie sich mit der Xbox One das Spiele-Line-up teilt. Doch soll sie speziell unter der grafikaffinen Kernspielerschaft die Nachfrage nach Microsoft-Konsolen wieder kräftig ankurbeln. Es ist eine sehr ähnliche Strategie, die Sony mit einem Jahr Vorsprung mit der PS4 und der PS4 Pro verfolgt, doch gehen beide Plattformen unter völlig unterschiedlichen Vorzeichen in das neue Rennen dieser Mid-Generation-Upgrades.

Fast klare Verhältnisse

Sony ist mit rund 55 Millionen verkauften PS4-Konsolen weltweit der klare Marktführer, während Microsoft mit geschätzten 25 bis 29 Millionen abgesetzten Xbox Ones nach vier Jahren doch recht deutlich den Anschluss verloren hat. Obwohl dies im historischen Vergleich mit vorangegangenen Hardware-Generationen tatsächlich keine schlechten Zahlen sind für den Redmonder IT-Riesen, sind sie offenbar nicht prestigeträchtig genug, um offizielle Verkaufszahlen im Geschäftsbericht zu führen. Mit ein Grund für die Zurückhaltung dürfte auch sein, dass man mit der Xbox 360 noch über lange Zeit das Feld gegenüber der PS3 behaupten konnte.

Klares Kräfteverhältnis in Europa. Bei der Xbox 360 stand Microsoft noch besser da.
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Fehlschlag in Europa

Während mit den vielen PR-Fehltritten rund um Kinect, geplantem und dann verworfenem Online-Zwang und "TV, TV, TV" zum Start der Xbox One in den vergangenen Jahren zahlreiche Gründe für Microsofts schlechteres Standing in dieser Generation genannt wurden, offenbaren die kumulierten Verkaufszahlen in den einzelnen Märkten ein übergreifendes Problem: Microsoft hat es bis heute nicht geschafft, die Xbox One als zentrale Spieleplattform in Europa zu etablieren.

Wie die Branchenseite VGChartz auf Basis von Händlerangaben rechnet, ist das Ungleichgewicht zwischen PS4- und Xbox-One-Verkäufen hier am prekärsten für Microsoft. Zwar gibt es mit Japan noch einen Markt, in dem Sony in Relation weiter vorne liegt, doch spielt dieser bei Heimkonsolen insgesamt eine weit kleinere Rolle. Den Schätzungen zufolge konnte Microsoft in Europa bislang nur knapp 7,7 Millionen Xbox Ones absetzen, während die PS4 im gleichen Zeitraum mehr als 22 Millionen Mal über die Ladentische ging. Besonders unangenehm für Microsoft: Bei der Xbox 360 sah das Verhältnis weit besser aus. In Summe konnte sich die PS3 in der vergangenen Generation nur rund 30 Prozent besser verkaufen.

In den USA liefern sich PS4 und Xbox One ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
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Kopf-an-Kopf-Rennen in den USA

Im Gegensatz dazu lieferten sich PS4 und Xbox One in den USA von Beginn an ein weitgehend enges Kopf an Kopf rennen. Demnach gelang es Microsoft trotz diverser PR-Fehltritte mit der Xbox One den Heimatmarkt deutlich besser zu verteidigen und Xbox als Marke populär zu halten. Wie eine Studie des Suchmaschinenanbieters Google kürzlich herausfand, ist Xbox in den USA zumindest unter Teenagern nach wie vor "cooler" als Playstation – wenngleich es sich bei jungen Erwachsenen von 18 bis 25 Jahren umgekehrt verhält.

Japan kann Microsoft abschreiben – der Markt hat allerdings insgesamt keine allzu große Bedeutung mehr bei Heimkonsolen.
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Klares Ziel: Europa

Um mit der Xbox Scorpio Boden gut zu machen, wird Microsoft seine Marketingunternehmungen demnach vor allem auf den europäischen Markt fokussieren müssen. Wie GFK-Marktzahlen schon Mitte 2015 verdeutlichten, hat der US-Konzern speziell in wichtigen Märkten wie Deutschland hart zu kämpfen. Damals lag das Verhältnis hier bei 4:1 für die PS4.

Die Frage ist, wie gut die Scorpio mit einem Fokus auf leistungsstarke Hardware in Europa Punkten können wird und welche Games es brauchen wird, um bislang abgeneigte Kunden von einem Plattformwechsel zu überzeugen. Eines scheint aber klar zu sein: Sich weiter auf den US-Heimatmarkt zu konzentrieren, wird Xbox auch unter der Scorpio kein bedeutendes Wachstum bescheren. (Zsolt Wilhelm, 20.4.2017)