Ulrike Rabmer-Koller legt ihre Funktion als Hauptverbandsvorsitzende zurück.

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Wien – Es war kurzfristig und überraschend: Nach eineinhalb Jahren an der Spitze des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger zieht sich Ulrike Rabmer-Koller zurück und rechnet mit dem System ab. Die 50-jährige Unternehmerin führt an, zunehmend mit den starren Strukturen der Gesundheitspolitik gehadert zu haben, weil dringend notwendige Reformen nicht machbar seien.

"Ich bin angetreten, um etwas zu verändern" – als einzelner Player sei sie dazu aber nicht in der Lage gewesen. Der politische Wille habe auch bei beiden Regierungsparteien gefehlt. In der Gesundheitspolitik gebe es keine klare Entscheidungsstruktur, das wirke sich negativ auf das System aus. Eine Neuaufstellung der Sozialversicherungen sei überfällig, genauso wie ein Durchgriffsrecht des Hauptverbandes, damit das Geld nicht weiter versickere.

Kritik an Studie

Kritik übte sie auch an der vom Sozialministerium in Auftrag gegebenen Effizienzstudie für die Reform der Sozialversicherungen. "Parteipolitik und Ideologie haben sachlich orientierte Lösungen unmöglich gemacht. Das ist für mich inakzeptabel." So weit die Darstellung der Oberösterreicherin, die weiter Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer bleiben will.

Im Hauptverband werden aber auch andere Versionen der Geschichte erzählt. Ein Roter, der nicht genannt werden will, wirft ihr fehlendes politisches Gespür vor. So habe sie etwa bei den umstrittenen Primärversorgungszentren hinter dem Rücken der Krankenkassen mit der Ärztekammer verhandelt, weil sie keine gesetzliche Lösung wollte. Es sei auch illusorisch, in der vielschichtigen Gesundheitspolitik ein "Durchgriffsrecht" zu fordern.

Viele Gegner

Aber auch auf ÖVP-Seite – sieben Gebietskrankenkassen sind rot, jene von Vorarlberg und Tirol schwarz – waren viele mit Rabmer-Koller nicht zufrieden. Der Obmann der Vorarlberger GKK, Manfred Brunner, wirft ihr im STANDARD-Gespräch vor, sich zu wenig um Strategien und interne Abstimmungen gekümmert zu haben. Ihr Vorvorgänger Hans Jörg Schelling, der jetzige Finanzminister, habe sich laufend mit den Krankenkassen abgestimmt, Rabmer-Koller nie. "Gesundheitspolitik ist Knochenarbeit, das kann man nicht einfach wie in einem Unternehmen delegieren", sagt Brunner. Wenn sie jetzt ein reformresistentes System beklage, sei das für ihn "nur eine Ausrede, um die eigene Situation zu überspielen".

Der Obmann der Tiroler Gebietskrankenkasse, Werner Salzburger, formuliert etwas diplomatischer: "Rabmer Koller ist diese Aufgaben ambitioniert angegangen, wenngleich ein intensiverer Austausch mit den Trägern wünschenswert gewesen wäre."

Für Brunner ist klar, dass Rabmer-Kollers Nachfolger mehr Zeit in den Job investieren müsse. Eine diesbezügliche Entscheidung ist noch nicht gefallen. Rabmer-Koller hat auch den ÖVP-Wirtschaftsbund, der traditionell das Vorschlagsrecht hat, auf dem falschen Fuß erwischt. Für Brunner – er gehört dem ÖVP-Arbeitnehmerflügel ÖAAB an – ist aber nicht ausgemacht, dass immer ein Wirtschaftsbündler zum Zug kommen muss. Seine indirekte Drohung an die Parteikollegen: "Die Kräfte sind heute anders gebündelt. Es ist nicht mehr so, dass alle ÖVP-Nahen automatisch den schwarzen Kandidaten wählen." Man werde sich Vorschläge der Wirtschaftsseite genau ansehen.

Schwierige Suche nach Nachfolger

Entschieden wird die Nachfolge im Verbandsvorstand, einem zwölfköpfigen Gremium. Sieben Vertreter sind schwarz (fünf davon Wirtschaftsbund), vier rot und einer blau. Ein ÖVP-Insider hält es aber für ausgeschlossen, dass kein Wirtschaftsvertreter gewählt wird. Der Vorarlberger Brunner wolle sich nur selbst ins Spiel bringen, sei aber schon einmal in der Vergangenheit abgeblitzt.

Kolportiert werden derzeit mehrere Namen: etwa der Obmann der Unfallversicherungen (AUVA), Anton Ofner, der aber wenige Ambitionen haben soll. Diese werden Alexander Herzog von der Sozialversicherung der Selbstständigen nachgesagt – er hat aber wenige Unterstützer. Ebenfalls genannt werden Alexander Biach von der Wiener Wirtschaftskammer und Peter Lehner, der Vizechef der Pensionsversicherung, der von Oberösterreich gepusht wird. Rabmer-Kollers direkter Vorgänger Peter McDonald, der vor kurzem zum Pharmakonzern Johnson & Johnson wechselte, hat bereits abgesagt. Und was einige für nicht ganz ausgeschlossen halten, ist ein gesundheitspolitisches Comeback des Zweiten Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf, der bereits bis 2009 im Hauptverband tätig war. (Marie-Theres Egyed, Günther Oswald, 20.4.2017)