Das niederösterreichische Mostviertel (Bild) bildet mit dem oberösterreichischen Traunviertel das Kerngebiet des Vierkanters.

Foto: Mostviertel Tourismus / weinfranz.at

Zwei von Architekt Hans Zeiner umgebaute Vierkanthöfe: Hier wurde ein alter Getreidespeicher ("Troadkasten") ...

Foto: Hans Zeiner

... zum Wohngebäude umgestaltet.

Foto: Hans Zeiner

Hier im Bild das Projekt "Heu", eine Loftwohnung in einem ehemaligen Heuboden mit frei eingestellter Schlafzimmerbox.

Foto: Hans Zeiner

Vorn der Wohntrakt, seitlich die Stallungen, dahinter Schuppen und Scheune: Die vier traditionellen Teile eines Bauernhofs sind beim Vierkanter kompakt um einen mittigen Hof angeordnet. Die Ställe samt dem Heulager darüber sind oft nach Süden orientiert, weil diese Teile viel Wärme brauchen.

Beziehungsweise: brauchten. Heute stehen bei vielen heimischen Vierkantern nämlich gerade diese südlich gelegenen Trakte leer – wenn die Landwirtschaft aufgegeben wurde und nur noch der Wohntrakt benützt wird, die Ställe aber verwaist sind. Gerade dort könnte man heute aber sehr passabel wohnen, dachte sich Hans Zeiner vor einigen Jahren. Der Wiener Architekt mit Mostviertler Wurzeln ist selbst auf einem Vierkanthof aufgewachsen. Während er noch studierte, übernahm sein Bruder die Landwirtschaft der Eltern. Als der damit aufhören wollte, überlegte man gemeinsam, was man aus dem Vierkanthof in Zeillern machen könnte.

Die Brüder beschlossen, Teile des alten Gehöfts zu Mietwohnungen umzubauen. Heute leben vier Jungfamilien aus der Umgebung auf dem ehemaligen Bauernhof. "Für Kinder ist so ein Vierkanthof natürlich super geeignet", meint Zeiner. Es gibt viel Natur rundherum, viel Platz zum Austoben, dazu einen schattigen Innenhof.

Stube mit drei Fenstern

Das Kerngebiet des Vierkanters bilden das oberösterreichische Traunviertel und das niederösterreichische Mostviertel. In Letzterem vor allem das Gebiet um die Gemeinden Haag, St. Valentin, Seitenstetten und Sankt Peter in der Au. Hier weisen die meisten Höfe Seitenlängen zwischen 40 und 50 Metern auf.

"Das prägnanteste Merkmal des Vierkanters ist die durchlaufende Firstlinie", weiß Elisabeth Rücklinger. Sie hat sich in ihrer Anfang des Jahres fertiggestellten Diplomarbeit an der TU Wien ausführlich mit den Vierkantern im Mostviertel beschäftigt. 3096 davon fand sie allein in den 26 Gemeinden entlang der "Moststraße".

Was außerdem fast alle Vierkanter gemeinsam haben, ist die Raumanordnung. "Die Stube hat stets drei Fenster", sagt die Architektin, die in Viehdorf nahe Amstetten aufwuchs und heute bei einem Wiener Immobilienunternehmen arbeitet. Außer bei sehr kleinen Höfen sei das überall so. Apropos: Der größte Vierkanter Österreichs steht im oberösterreichischen St. Florian, heißt Vier-Jahreszeiten-Hof und hat beeindruckende Seitenlängen von 86 mal 76 Metern. Der Sumerauerhof, ebenfalls in St. Florian, mit seinen auch sehr eindrucksvollen Seitenlängen von 64 mal 50 Metern ist heute ein Teil des oberösterreichischen Landesmuseums.

Gründerzeit

Die meisten heute noch existierenden Vierkanthöfe entstanden zwischen 1860 und 1910. Analog zum Wiener Zinshaus könnte man also von einer "Gründerzeit" der Vierkanthöfe sprechen. Und wie in Wien hatte auch im Mostviertel diese Gründerzeit diverse Auslöser. Rücklinger weiß sie aufzuzählen: "Die Bauernbefreiung von 1848, die theresianisch-josephinischen Reformen, der Bau der Westbahn und das Mostgeschäft. Diese vier Faktoren haben dazu beigetragen, dass die Vierkanter so pompös sind, wie sie jetzt dastehen."

Dem ging aber, was Gehöftformen betrifft, ein jahrhundertelanger Lernprozess voraus. Ausgehend vom "Haufenhof", bei dem die vier traditionellen Teile eines Gehöfts – Wohntrakt, Ställe, Schuppen, Scheune – samt etwaiger Nebengebäude lose, ohne sichtbare Ordnung auf einem Grundstück verstreut waren, wurden im Lauf der Zeit die einzelnen Gebäude immer enger zueinander gebaut. Im Lauf der Jahrhunderte wurde dann der "Vierseithof" daraus, bei dem die Gebäudeteile um einen gemeinsamen Hofraum angeordnet, aber noch nicht verbunden waren. Beim Vierkanter schließlich sind diese typischen Gehöftteile miteinander verkantet und bilden ein Rechteck oder Quadrat mit mittigem Hof.

Neue Nutzungskonzepte

Mehr als 150 Jahre lang hat das Modell gut funktioniert. Heute ist es aber auch für Jungbauern, die einen Hof übernehmen und weiterhin bewirtschaften wollen, unattraktiv: Die Tore sind oft zu klein für heutige Maschinen, neue hygienische Anforderungen lassen sich in den alten Gemäuern nur mit hohem Aufwand umsetzen. "Die Bereiche, die man adaptieren müsste, lassen sich nicht so leicht adaptieren", sagt Zeiner.

Wegen zahlreich aufgegebener Bewirtschaftungen würden heute viele Vierkanter zumindest in Teilen leerstehen, sagt der Architekt. So wie er und sein Bruder haben manche Besitzer ihre Höfe bereits umgestaltet. Aus einer Handvoll Vierkanter im Mostviertel wurden etwa Ferienwohnungen gemacht, in einem Fall in Weistrach auch mit überdachtem Pool im Innenhof. Ein anderer Vierkanter in Weistrach wurde wie bei den Zeiners zu Wohnungen umgebaut, die ehemaligen Ställe werden für Veranstaltungen genutzt. Und in Haag wurde ein Vierkanter zu einem Bürogebäude umgestaltet. Doch das sind (noch) Einzelfälle.

Viele Möglichkeiten

Nutzungsmöglichkeiten gebe es jedenfalls viele, ist auch der Architekt Christoph Abel überzeugt. Er hat in Strengberg ein Büro und bietet Mostviertler Vierkanthofbesitzern an, einen Tag lang zu ihnen zu kommen und in einem Workshop an einer Nachnutzung zu arbeiten.

Er weiß aber auch um die Schwierigkeiten beim Umbau eines Vierkanters. Die Höfe wurden etwa meist bloß auf gestampftem Lehm errichtet, daraus resultieren neben manchen statischen auch Probleme mit Feuchtigkeit. Rücklinger sieht auch in der schieren Größe der Vierkanter Probleme. Allein ein Tausch der vielen Fenster in einem Vierkanter würde in vielen Fällen mehrere Zigtausend Euro verschlingen.

Widmungsproblem

Und dann wäre da noch das Widmungsthema, das nach Ansicht der Experten am häufigsten einer großangelegten Umbauoffensive entgegensteht. Vierkanter stehen nämlich oft in "Alleinlage" im Grünland und sind deshalb in Niederösterreich als landwirtschaftlicher Betrieb oder als erhaltenswertes Gebäude im Grünland gewidmet. Bei Ersterem dürfen die Nutzer so lange drin wohnen, solange auch tatsächlich die landwirtschaftliche Nutzung gegeben ist. "Wenn diese aufgegeben wird, fällt streng genommen auch die Widmung weg", sagt Rücklinger. Beim erhaltenswerten Gebäude im Grünland wiederum sind bei einem Ausbau maximal 400 m² beziehungsweise vier Wohneinheiten erlaubt. Manche Gemeinde legt das immerhin so großzügig aus, dass die bisherigen Bewohner – zwei Generationen – nicht dazugezählt werden.

Wegen der Widmungsproblematik wurde schon der eine oder andere Südtrakt eines Vierkanters schlicht wieder abgerissen, berichtet Zeiner. "Das ist halt dann die Gefahr, wenn man zu restriktiv mit den Widmungen umgeht." Mancher Bürgermeister habe die Problematik erkannt und dementsprechend Umwidmungen in Bauland zugelassen. Zeiner glaubt auch, dass solche Umbauten selten an den Kosten scheitern würden. "Meist gibt es laufende Erträge aus verpachtetem Ackerland oder andere belehnbare Liegenschaften beim Hof."

Abel nennt einen solchen Umbau "jedenfalls herausfordernder als den eines 1970er-Jahre-Baus". Für ihn wäre es aber speziell wichtig, dass die Besitzer mit "landschaftsverträglichen Konzepten" vertraut gemacht werden. "Denn man lässt es einfach zu oft zu, dass hässliche Industriehallen aufgestellt werden, und der schöne alte Vierkanter direkt daneben steht leer." (Martin Putschögl, 10.5.2017)