Ronnie O’Sullivan ...

Foto: imago/Xinhua

... bringt Shaun Murphy zum Grübeln.

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Sheffield – "The Rocket" versus "The Magician": Das mag für Uneingeweihte nach Wrestling klingen, ist aber Snooker – und zwar das mit Spannung erwartete WM-Achtelfinale zwischen Ronnie O'Sullivan und Shaun Murphy. Während ein Match zwischen zwei solchen Größen des Sports bei einer Weltmeisterschaft natürlich immer ein Highlight ist, hat die Partie, deren erste Session Donnerstag Abend gespielt wurde, diesmal besondere Brisanz.

Fehdehandschuh

Shaun Murphy hatte sich nämlich in einem Interview zu O'Sullivans Fehde mit dem Snooker-Weltverband geäußert und dabei eindeutig die Partei von Snooker-Weltverbandschef Barry Hearn ergriffen: "O'Sullivan hat völlig unrecht. Er muss sich genauso an die Regeln halten wie jeder andere, man kann ihm nicht alles durchgehen lassen."

Da auch Barry Hearn mit einem wohl bewusst schmallippigen Statement, in dem er O'Sullivans Anschuldigen als rufschädigend qualifizierte, noch zusätzlich Öl ins Feuer gegossen hatte, durfte man gespannt sein, wie sich der schwelende Konflikt auf Stimmung und Verfassung des fünffachen Weltmeisters auswirken würde. O'Sullivan hatte sich ja ursprünglich gerade darüber beschwert, dass die von ihm als Mobbing empfundene Haltung von Hearn und Konsorten ihn an der Konzentration auf seinen Beruf hindere.

Nervöser Beginn

Tatsächlich wirkt O'Sullivan im ersten Frame der Session nervös. Öfter noch als in seinem Erstrundenmatch gegen Gary Wilson setzt er für seine Stöße mehrmals an, um sich dann mitunter doch noch umzuentscheiden, tigert unruhig um das grün bespannte Rechteck. Aber auch Shaun Murphy ist noch nicht ganz in der Partie. So nimmt sich O'Sullivan dann doch bald einige Bälle zur Brust und zieht sein erstes Break nahe der Hundert-Punkte-Grenze durch: Scjon steht es 1-0 nach Frames.

Und nur etwa vierzig Minuten später ist bereits das Midsession Interval erreicht! Ronnie O'Sullivan führt zu diesem Zeitpunkt 3-1. Das rasante Tempo der Partie geht eindeutig auf sein Konto: "The Rocket" spielt schnell, hochkonzentriert und schlafwandlersich sicher, besonders was die Kontrolle des Spielballs angeht. Die in seiner Erstrundenpartie allgegenwärtige Unsicherheit wirkt wie weggeblasen, O'Sullivan ist jetzt voll da, sein Spiel eine Augenweide.

Murphy’s Law

Zwar gelingt Shaun Murphy nach der Pause ein im Dreiband-Billard als Umkehrer bekannter Trickstoß, mit dem er aus scheinbar unmöglicher Lage einen nächst der Mitteltasche gestrandeten roten Ball locht. Dennoch gehen auch Frame Nummer fünf und sechs an O'Sullivan. Bei Shaun Murphy scheint in dieser Phase alles schief zu gehen, was nur schief gehen kann, auch einfache Stöße wollen dem Ex-Weltmeister nicht mehr gelingen.

Dann ein dramatischer Frame Nummer sieben: Wieder scheint O'Sullivan ungefährdet auf dem Weg zum Framegewinn, als eine Kette wechselseitiger Fehler den Kampf um den bald einzig am Tisch verbliebenen schwarzen Ball nötig macht. Murphy, der zuvor fast schon stehend k. o. wirkte, reißt sich doch noch einmal am Riemen. Er locht Schwarz und kann so zumindest auf 2-5 verkürzen.

Was O'Sullivan allerdings nicht daran hindert, sich den achten und letzten Frame des Tages mit einem weiteren hohen Break zu holen und so mit einem Vorsprung von 6-2 in die Freitag Nachmittag zu spielende zweite Session dieses Achtelfinales zu gehen.

O'Sullivan braucht dann nur noch sieben Frames zum Matchgewinn. Theoretisch könnte die Partie also schon in Session zwei entschieden werden, Shaun Murphy wird etwas dagegen haben. Sollte O'Sullivan allerdings in dieser Manier fortfahren, die Antwort auf die von Murphy geübte Kritik am Snookertisch zu geben, dann dürfte es selbst einem Magier schwer fallen, in diesem Achtelfinale noch ein Comeback zu schaffen.

Wilson vor Bingham

In der ersten Session des anderen Achtelfinalmatches liegt Kyren Wilson gar schon 5-0 in Front, muss Stuart Bingham dann aber schrittweise auf 3-5 herankommen lassen. Session zwei und drei dieser Partie werden beide am Freitag gespielt, am späten Abend wird also bereits feststehen, wer von beiden ins Viertelfinale einzieht.

Zwei noch offene Erstrundenpartien wurden ebenfalls am Donnerstag zu Ende gespielt. Mit Neil Robertson und Barry Hawkins setzten sich die Favoriten jeweils deutlich durch. Beide sind in ihren Achtelfinali erst ab Sonntag wieder im Einsatz: Während Hawkins sich dann mit Graeme Dott auseinandersetzen muss, trifft Robertson in der Runde der letzten sechzehn auf Marco Fu. (Anatol Vitouch, 21.4.2017)