Ex-Ukip-Chef Nigel Farage im EU-Parlament. Dort bleibt die Galionsfigur des Brexit auch, bei den Unterhauswahlen tritt Farage nicht an

Foto: AFP / Sebastien Bozon

Eines muss man Nigel Farage lassen: Der Mann hat Humor. Kaum hatte die britische Premierministerin Theresa May die Neuwahl des Unterhauses angekündigt, standen die Medien beim Ex-Chef der EU-feindlichen Ukip Schlange. Und alle wollten dasselbe wissen: Würde der 53-Jährige nach sieben vergeblichen Anläufen noch einmal versuchen, sich in die "Mutter aller Parlamente" wählen zu lassen? Der parlamentarischen Souveränität von Westminster galt schließlich sein langer Kreuzzug gegen Brüssel.

Gut zwei Tage lang hielt Farage fröhlich grinsend die Bittsteller hin und genoss die Aufmerksamkeit. Als die Medien langsam das Interesse verloren, ließ er sich doch noch zu einer Stellungnahme herab. Die würde jedem Komikprogramm zur Ehre gereichen. "Leicht gewinnen" würde er den Wahlkreis Clacton, den Ukips bisheriger einziger Abgeordneter Douglas Carswell verlässt, prahlte der langjährige Europaabgeordnete im Daily Telegraph. Aber Hinterbänkler im Unterhaus? Nein, danke. Dazu sei seine Anwesenheit im Brüsseler Parlament doch viel zu wichtig. Dort werde er seinen Einfluss geltend machen und für den Brexit kämpfen.

Partei im Sinkflug

Tatsache ist: Neun Monate nach seinem dritten Rücktritt als Ukip-Vorsitzender liegt die Nationalpopulisten-Partei in Trümmern. Dem neuen Vorsitzenden Paul Nuttall gelang kürzlich nicht einmal in der englischen Brexit-Hauptstadt Stoke-on-Trent, wo 70 Prozent der EU den Rücken kehren wollten, ein Erfolg bei der Nachwahl. In Scharen laufen die Ukip-Wähler zur Brexit-Premierministerin May und den Konservativen über. Machten 2015 noch 13 Prozent ihr Kreuzerl bei den EU-Feinden, so liegt Ukip in jüngsten Umfragen bei neun Prozent und deutlich hinter den arg zerzausten Liberaldemokraten.

Das lässt nichts Gutes hoffen für die Ukip-Kandidaten in den 650 Wahlkreisen, nicht einmal im ostenglischen Clacton. Dort war der Konservative Carswell 2014 zu Ukip übergelaufen, hatte bei einer Nachwahl sein Mandat verteidigt und war auch 2015 unter der Ukip-Fahne wieder ins Unterhaus eingezogen. Dort mochte der Chef seiner Ein-Mann-Fraktion sich nicht für Farages sehnlichen Wunsch einsetzen, von der Queen zum Ritter Sir Nigel geschlagen zu werden. Zur Empörung von Farage und dessen Getreuen machte sich Carswell sogar über den ungeliebten Kollegen lustig: Dieser habe höchstens einen minderen Orden "für Verdienste um Zeitungsschlagzeilen" verdient.

Mit Zigarette und Bierglas

Die hat Farage tatsächlich immer wieder produziert, meist mit Provokationen gegen führende EU-Politiker. Auch sonst frönte der gelernte Rohstoffhändler der politischen Unkorrektheit: In Wahlkämpfen ließ er sich am liebsten mit einem Bierglas in der einen und einer Zigarette in der anderen Hand fotografieren. Freilich blieb ihm der Sprung ins Unterhaus ebenso verwehrt wie die Rolle als britischer Botschafter in Washington, wo ihn sein Freund Donald Trump am liebsten installiert hätte. Doch selbst in der Brexit-Ära ist die britische Politik zu ernst, um einem unsicheren Kandidaten wie Farage eine wichtige Rolle einzuräumen. (Sebastian Borger aus London, 21.4.2017)