"Kugelsichere Tagebücher": Barbara Schiavullis neues (Comic-)Buch über viele Kriege.

Barbara Schiavulli

Schiavulli unterwegs zum nächsten Einsatz.

Barbara Schiavulli

Eine Seite aus Schiavullis "Kugelsicheren Tagebüchern".

Barbara Schiavulli

Perugia – Barbara Schiavulli wollte von klein auf Kriegsberichterstatterin werden. Mit zwölf Jahren entschied sie sich für ihre zukünftige Karriere und blieb dabei.

Ihre Mutter, ursprünglich aus den Vereinigten Staaten, erzählte ihr schon früh von afroamerikanischen Bürgerrechtsdemonstrationen, an denen sie teilgenommen hatte, und der Apartheid in Südafrika. Ihr Vater, ein Flüchtling aus Istrien, war ein Bücherwurm, und Schiavulli war dadurch vom frühen Kindheitsalter an von Büchern umgeben. Durch ihre Mutter entwickelte sie ihren Sinn für Gerechtigkeit. Die Bücher ihres Vaters weckten Schiavullis Wunsch, die Welt zu entdecken. Der beste Weg, um das zu tun, war für sie der Journalismus.

Sieben Tage, die vier Jahre wurden

Nach ihrem Schulabschluss in Rom, wo sich ihre Eltern niedergelassen hatten, entschied sie sich dazu, Arabisch in Venedig zu studieren, um die Grundlage für ihren Berufswunsch zu legen. Venedig war zu diesem Zeitpunkt einer von zwei Orten in Italien, die ein Arabisch-Studium anboten. Nach ihrem Studium begann Schiavulli als Lokaljournalistin.

Mit 23 Jahren bekam sie das Angebot, den damaligen Präsidenten der palästinensischen Autonomiegebiete, Jassir Arafat, zu interviewen. Ursprünglich als siebentägiger Aufenthalt geplant, dauerte dieser vier Jahre. "Zur großen Freude meiner Eltern", wie sie spaßhalber sagt. Wegen ihrer italienischen Staatsbürgerschaft zog Schiavulli 2001 von Jerusalem zurück nach Rom, um leichter in andere Krisengebiete reisen zu können.

Alltag im Krisengebiet: Afghanistan, Irak, Pakistan, Haiti

Von da an reiste sie im Nahen Osten den Krisen hinterher. Schiavulli berichtete von da an viel aus Afghanistan und dem Irak, wo sie zwischen 2005 und 2008 als einzige italienische Journalistin in Bagdad arbeitete, aber auch aus Afrika, Pakistan oder Haiti.

Um ihre Reisen zu finanzieren, nutzt die freie Journalistin ihr eigenes Erspartes und mittlerweile oft auch Crowdfunding, da die meisten italienischen Medienhäuser weder das finanzielle noch das Versicherungsrisiko tragen wollen. Die meiste Zeit arbeitet sie im Ausland ohne Versicherung.

Schiavulli wohnte 2005 während ihres Irak-Aufenthalts im 13. Stock des Palestine Hotel, als drei Sprengsätze 19 Menschen töteten und die Hotellobby komplett zerstörten. "Ich dachte, das Hotel würde gleich einstürzen, aber das ist einfach Teil des Jobs."

Entführung als Geldquelle

Was die Natur ihres Berufs aber in den letzten Jahren stark verändert hat, ist die Entführungsgefahr. "Oft sehen Leute Journalisten als eine potenzielle Geldquelle." Wenn Schiavulli jetzt durch die Straßen im Irak oder in Afghanistan geht, ist sie vorsichtiger. "Man denkt die ganze Zeit darüber nach, wer einen beobachtet. Eine Zeit lang wechselte ich meine Kleidung auf dem Weg vom Hotel zum Auto, damit ich nicht so leicht identifizierbar war, falls jemand aus dem Hotel einen Anruf getätigt hatte."

Opfer und Helden

Für sie ist der Beruf aber trotz aller Risiken der beste Beruf, den sie sich vorstellen kann. "Die Menschen, die ich in solchen Regionen treffe, sind Helden, besonders die Frauen. Oft werden sie als Opfer porträtiert, aber ihre Männer sind oft geflüchtet oder im Kampf gestorben, während sie sich um die Familie, das Geld und auch die Erhaltung der Kultur kümmern müssen. Das sind unglaubliche Geschichten." Erfolg ist für Schiavulli, wenn die Geschichten, die sie erzählt, zu einem Teil der Menschen werden, die sie lesen, und diese zum Nachdenken bewegen.

Schiavulli verarbeitet viel von dem, was sie sieht, indem sie darüber schreibt. "Wenn ich einen ganzen Tag lang Geschichten von Vergewaltigungen und Tod höre, setze ich mich am Ende des Tages in ein hoffentlich ruhiges Zimmer und beginne zu schreiben. Das funktioniert für mich." Viele ihrer Kollegen trinken zum Beispiel. Schiavulli verarbeitet das Gesehene mit dem Schreiben und hofft, durch ihre Arbeit ein größeres Bewusstsein für die Zustände in Krisengebieten zu schaffen.

"Niemand redet über den Krieg im Jemen"

"In Italien wird zwar bei großen Ereignissen über Syrien berichtet, aber generell gibt es hier wenig Krisenberichterstattung. Niemand redet hier über den Krieg im Jemen, und seitdem keine italienischen Streitkräfte mehr in Afghanistan stationiert sind, haben die Leute das Land förmlich aus ihren Gehirnen entfernt."

Radio Bullets

Um das Bewusstsein der italienischen Bevölkerung zu fördern, hat Schiavulli eine Internetradiosendung mit Kollegen gegründet. Radio Bullets. Dort berichtet sie mit 20 anderen Kollegen unabhängig über Entwicklungen im Ausland. "Fernab der parteinahen Medienlandschaft", wie sie sagt. Schiavulli besucht auch Schulen und spricht über ihre Arbeit und die Situationen in den Ländern, aus denen sie berichtet hat. Und sie schreibt Bücher. Über alltägliche Begegnungen in Krisengebieten oder das Leben italienischer Soldaten nach dem Krieg.

Kugelsichere Tagebücher

Ihr mittlerweile viertes Buch, "Bulletproof Diaries: Tales of a War Reporter", ist ein illustriertes Comicbuch über ihre Arbeit der letzten 15 Jahre in Afghanistan und die Macht von Manipulation durch Falschinformationen.

Für den Comicstil hat Schiavulli sich entschieden, um etwas Neues auszuprobieren. "Comics sind für mich interessant, weil sie Text und Fotografie mischen. Und auch wenn meine Welt immer das Schreiben bleiben wird, finde ich es wichtig, alle Erzählformen auszuprobieren."

Wenn sie neben ihrer Arbeit die Zeit findet, tanzt Schiavulli am liebsten Salsa, trifft Bekannte oder liest auch gerne den ein oder anderen Actionroman. Die Planung für ihre nächste Reise bleibt dabei aber ständig in ihrem Hinterkopf. Als Nächstes will sie nach Syrien. (Nicolas Kristen, 22.4.2017)