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Sonntagabend werden sich die Nebel etwas lichten.

Foto: Reuters/Fuentes

Wetteransage aus dem Westen: Über Frankreich liegt dichter Nebel. Das sagen nicht die Sprecher von Météo France, sondern die der führenden Umfrageinstitute BVA, Ifop, TNS Sofres, Ipsos. Zwischen 28 und 35 Prozent der französischen Wähler sind demnach unentschlossen. Dieser Wert ist selbst ein sehr unsicherer: Einige Experten veranschlagen die Zahl der "indécis" noch höher, während erfahrene Demoskopen annehmen, dass viele Franzosen durchaus wissen, wem sie die Stimme geben, auch wenn sie sich als unentschlossen bezeichnen.

Wer durchs Land fährt und die Stimmung mit den Wahlkampagnen 2007 und 2012 vergleicht, kommt jedenfalls rasch zum Schluss, dass die Franzosen nach diesem turbulenten Wahlkampf selbst nicht mehr wissen, wen oder was sie wollen. Ein Blick auf die beiden wichtigsten Parteien genügt: Die Konservativen wollen ihren eigenen Kandidaten (François Fillon) nicht mehr, den sie in einer harten Primärwahl triumphal auf den Schild gehoben hatten. Und die Sozialisten haben das Kunststück fertiggebracht, keinen Konsenskandidaten zu bestimmen, sondern einen Außenseiter (Benoît Hamon), der ähnliche Positionen vertritt wie ein anderer Linkskandidat (Jean-Luc Mélenchon) und damit völlig chancenlos ist. Also Marine Le Pen? Nein, das dann doch nicht. Emmanuel Macron? Wie kann man sich auf einen Mann festlegen, der sich selber nie festlegen will?

Das Dilemma des französischen Wählers zeigt das Magazin "L’Obs" an einer einzigen Wählerin auf. (Der Beitrag in "L’Obs" wurde von der Wahlaufsicht in Paris am Samstagnachmittag gelöscht, da er gegen das offizielle Ende der Wahlkampagne verstoße.)

Léa (25), aus der Dordogne (Westfrankreich) stammend, zögerte lange – obwohl es antagonistischer kaum geht – zwischen Macron und Le Pen. Dann machte sie einen Wählertest, der ergab, dass ihre Ideen am ehesten bei Fillon aufgehoben seien. Nach einem TV-Streitgespräch neigte sie dem Trotzkisten Philippe Poutou zu, der Fillon als Dieb bezeichnet hatte. Bald flogen ihre Sympathien Mélenchon zu.

Bei Abschluss des Artikels war Léa hingegen entschlossen, wie folgt zu wählen: Wenn Fillon in den Umfragen tief liegt, gibt sie ihre Stimme Poutou, ansonsten Macron. Nach der letzten Wahlsendung am Donnerstag, während der auf den Champs-Elysées in Paris ein Polizist von einem Attentäter erschossen wurde, Poutou indes erklärte, er wolle die Polizei entwaffnen, hat Léa vielleicht ihre Meinung kurzfristig geändert. Von den elf Kandidaten hat sie ja noch ein Halbdutzend unbekanntere Namen nicht versucht. (Stefan Brändle aus Paris, 22.4.2017)