Wenn ein Mensch mit ungefähr 50 Jahren eine heftige Sinnkrise durchleidet, ist plötzlich vieles möglich: der spontane und ab und zu gar nicht gut durchdachte Partnerwechsel; das Hinwerfen der Arbeit; Umzug in eine andere Stadt oder sogar in ein anderes Land; der Versuch, wieder so zu leben wie mit 25.

Dazu kommt das Gefühl, etwas unwiederbringlich verloren zu haben: die Jugend aka das Gefühl, spontan handeln zu können. Zu leben, ohne von dem Gefühl der eigenen Endlichkeit gequält zu werden.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Partner-, Job- und Ortswechsel sind per se nichts Schlechtes. Aber Panik, auch die vor dem Torschluss, ist kein guter Ratgeber. Wer um diese seine Endlichkeit noch nicht weiß, kann natürlich eine beneidenswerte Leichtigkeit an den Tag legen, die später abhandenkommt.

Aber um wie viel schöner wäre es, diese Erkenntnis würde nicht so spät und so brutal ins Bewusstsein brechen, sondern wäre von vornherein in Form der Bewusstheit um den Wert des eigenen Lebens ein stetiger, leiser Lebensbegleiter. Wir machen viel, um uns vor unserem Abgang abzulenken und um ihn zu verdrängen. Im besten Fall kostet das nur Geld. Im schlechtesten kostet das Zeit, Lebensgefühl und womöglich sogar die Erfüllung.

Vielleicht wäre das Ins-Leben-Lassen dieser Tatsache eine Bereicherung des Hier und Jetzt. (Julya Rabinowich, 23.4.2017)