Angela Denoke scheint geradezu mit der Titelpartie in Janáceks "Kátja Kabanová" verschmolzen zu sein.

Foto: Pöhn

Eva-Maria Westbroek ist eine intensive Darstellerin der Katerina in Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk".

Foto: Pöhn

Wien – Tieftraurige Kantilenen, die sich verdichten, begleitet von bedrohlichen Paukenschlägen, einschneidende, schmerzerfüllte Steigerungen, dann gleich wieder muntere Folkloristik: Es ist für Dirigent und Orchester kein Spaziergang, bei Leos Janáceks Kátja Kabanová den richtigen Tonfall zu treffen. Frühere Vorstellungen im Haus am Ring zeigten dies zuweilen deutlich. Tomás Netopil ist schon mehrfach für Dvorák und Janácek (aber auch Mozart) geholt worden, und mit dem Dirigenten findet das Staatsopernorchester sogleich zu einem Duktus der Selbstverständlichkeit.

Hochexpressiv und klagend spannt es die Melodiebögen, artikuliert es die harten Einwürfe und meißelt die Eruptionen heraus. Während das "Janácek'sche", von Sprachähnlichkeit und volksmusikhaften Elementen geprägte Idiom so natürlich und fließend wirkt wie nur möglich, bieten die katastrophischen Passagen und die Momente der Sprachlosigkeit tiefe Blicke in psychologische Abgründe. Netopil deutet dies mit dem schönklangorientierten Orchester immerhin an, ohne die Grenze zum "Hässlichen" zu überschreiten.

Das Sängerensemble vermittelt insgesamt den Eindruck, im Tschechischen derart zu Hause zu sein, dass ältere Diskussionen, ob man Janácek denn hierzulande im Original spielen könne, etwas Rührendes erlangen. Ein abgründiges Psychogramm der Boshaftigkeit bietet Jane Henschel (Kabanicha), gleichermaßen profiliert agieren und singen die beiden Tenöre um die (Anti-)Heldin, Misha Didyk (Boris) und Leonardo Navarro (Tichon). Angela Denoke scheint geradezu mit der Titelpartie verschmolzen zu sein: Jede Phrase, jeder Ton ist aus dem Lieben und Leiden der Figur entwickelt – ein packendes Rollenporträt, das allein den Besuch einer Vorstellung lohnend macht.

Viel Gespür

Eine weitere Akzentuierung des Repertoires ist derzeit mit Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk auf den Spielplan gerückt – in ebenso packender Umsetzung: Hier sorgt Dirigent Ingo Metzmacher nicht nur für die nötige organisatorische Routine und Zuverlässigkeit. Er agiert mit viel Gespür für die vielschichtigen Ausdrucksnuancen: von den anfänglichen Sehnsuchtsträumen der "Lady" über die nackte Gewalt, die das Stück durchdringt, bis hin zum so wichtigen Ventil der Ironie, des Sarkasmus und der Parodie. Schostakowitschs Virtuosität mit diesen Registern des "Als ob" wird mit dem Staatsopernorchester in vielfältigen Klangschattierungen – nicht nur derber Töne – plastisch nachvollziehbar.

Dass Eva-Maria Westbroeks Sopran bei der ersten Vorstellung der Serie zu Beginn in exponierten Lagen ein wenig gefährdet erschien, war dank ihrer intensiven Darstellung bald vergessen. Da die Oper seit ihrer Erstaufführung an der Staatsoper vor sieben Jahren nicht mehr gespielt wurde, waren alle großen Partien mit Rollendebüts verbunden.

Als vitaler Sergej überzeugte Brandon Jovanovich vor allem mit vokaler Schlagkraft, Wolfgang Bankl war ein sonor-präsenter, dabei fast zu freundlicher Boris, Carlos Osuna als Sinowi so rollendeckend wie praktisch das gesamte übrige Ensemble. Eine Bitte an die liebe Wiener Staatsoper: In Zukunft mehr davon! (Daniel Ender, 24.4.2017)