Wiesberger trainiert lieber weniger. "Dann bin ich frisch."

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Peking/Wien – Shenzhen mit seinen 12,5 Millionen Einwohnern gilt als "Boomtown", kaum eine andere Stadt der Welt wächst so schnell wie diese im chinesischen Süden. Nicht zuletzt gibt es in Shenzhen die größte Golfanlage der Welt, den Mission Hills Golf Club mit zwölf 18-Loch-Kursen, jeder dieser Kurse ist von einem Golfstar entworfen und nach ihm benannt – Nicklaus, Norman, Faldo, Olazabal, Els, Singh, Sörenstam et cetera. Aber natürlich hat Shenzhen auch andere Clubs, zum Beispiel den Genzon GC, und hier wiederum ragte am Sonntag der Burgenländer Bernd Wiesberger heraus.

"Ich habe gewusst, dass ich zu den besseren Spielern auf der Tour gehöre", sagte Wiesberger dem Standard am Tag nach seinem Triumph beim mit 2,8 Millionen Euro dotierten Shenzhen International, von denen er selbst 437.017 Euro brutto lukrierte. Sein Einkommen 2017 erhöhte sich auf gut 932.000 Euro.

"Mit mir war zu rechnen"

Die Summen sind für den 31-Jährigen, der seit 2011 mehr als 8,5 Millionen Euro auf der European Tour verdiente, eher sekundär. In erster Linie freut er sich über seinen fünften großen Erfolg als Profi, den ersten seit Juli 2015. "Ich will nicht sagen, es war nur eine Frage der Zeit, bis ich wieder gewinne", sagt Wiesberger. "Aber es hat sich in den vergangenen Wochen abgezeichnet. Mit mir war zu rechnen." Im Juli 2016 hatte der Oberwarter zum letzten Mal einen Cut verpasst, seit damals war er regelmäßig an den Finaltagen dabei, dabei kamen nicht weniger als acht Top-5-Resultate heraus. "Ich habe, was mein Spiel angeht, einen echten Lauf", sagt er, "und jetzt hatte ich auch das Glück auf meiner Seite."

Am Schlusstag in Shenzhen war sein Vorsprung sukzessive geschmolzen, nach 18 Löchern hatte der Engländer Tommy Fleetwood mit 63 Schlägen, der besten Runde des Turniers, zu Wiesberger aufgeschlossen. Doch der Österreicher behielt die Nerven und attackierte am ersten Extraloch, einem schwierigen Par 4, auf dem es zuvor kaum Birdies gegeben hatte. "Wahrscheinlich war es ein Vorteil, dass ich dasselbe Loch nur wenige Minuten vorher gespielt hatte."

Das Rad nicht neu erfinden

Sein erster Ball kam zwei Meter neben dem Wasser zu liegen, sein zweiter zwei Meter neben der Fahne. "Ein relativ einfacher Putt, zwei Meter leicht bergauf, ich war mir schnell sicher über die Linie." Birdie und Aufatmen, Fleetwood gratulierte, das Turnier-Maskottchen verpasste dem Sieger eine Champagnerdusche.

Wiesberger sagt, er sei sich und seinem Weg "auch dann treu geblieben, als es nicht so lief". Er sei "keiner, der im Training zehn Stunden auf dem Platz steht. Ich mag gezielte, kürzere Trainings, dann bin ich frisch, wenn ich spiele." An seinen Qualitäten und seinem Potenzial habe er nie gezweifelt. "Ich musste das Rad nicht neu erfinden." Und dass er nun – nach drei Niederlagen – erstmals in einem Stechen erfolgreich blieb, habe er erst im Nachhinein registriert. "Das hatte ich nie in meinem Hinterkopf."

In der Weltrangliste hat er sich vom 43. auf den 30. Rang verbesserte, im "Race to Dubai", dem Finale der European Tour, ist er Sechster. Doch die Gedanken drehen sich weniger um Rankings als um das nächste Turnier. Am Donnerstag beginnen in Peking die Volvo China Open. Mit Bernd Wiesberger ist zu rechnen. (Fritz Neumann, 24.4.2017)