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Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner legte sein Modell für eine neue Studienplatzfinanzierung vor.

Foto: Reuters/Bader

Wien – "Das ist, wie wenn ein Supertanker dreht." Also ein eher schwieriges Lenkmanöver, für das man Zeit braucht, um in neue Gewässer zu kommen. Genau das will Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) mit einer neuen Universitätsfinanzierung, die ab dem Jahr 2019 wirksam werden soll, erreichen, sagte er Dienstagmittag bei der Präsentation seines Reformmodells.

Der Kurs, auf dem Österreichs Universitäten im Moment unterwegs sind, ist durch folgende Koordinaten zu umschreiben: Fast 60 Prozent (57,4 Prozent) aller Studierenden belegen nur 20 der insgesamt 160 möglichen Studienrichtungen beziehungsweise der mehr als 1.100 Studienfächer. Von 340.000 belegten Studien durch 280.000 Studierende werden nur 182.000 prüfungsaktiv betrieben. Oft von Studierenden, die vor allem aus eher "privaten Interessen", wie Mitterlehner sagte, die Uniinfrastruktur beanspruchen, indem sie etwa gratis eine Sprache lernen oder Bibliotheken nutzen, aber das Studium nicht formal betreiben und abschließen wollen. Und die Drop-out-Quote liegt in einigen Studien wie Jus und Fremdsprachen bei über 70 Prozent, mehr als zwei von drei Anfängern brechen das Studium ab.

Mehr Budget, noch mehr Studierende

Das Grundproblem skizzierte Mitterlehner so: Die steigenden Budgets kommen den noch stärker steigenden Studierendenzahlen nicht hinterher. Und das hat eine Reihe von unerwünschten Nebenwirkungen, die in Zukunft durch ein neues Modell verhindert werden sollten. Auf den Punkt gebracht, lautet das Ziel des Wissenschaftsministers: "Wir möchten nicht weniger Studierende, sondern mehr Uniabschlüsse durch mehr Studienqualität und eine verfeinerte Vorgangsweise erreichen."

Dazu hat sich Ressortchef Mitterlehner vier Ziele gesetzt:

  • Mehr Budget: Das Unibudget soll in der kommenden dreijährigen Leistungsperiode 2019 bis 2021 um 1,35 Milliarden Euro, davon 840 Millionen indexbasierte Fortführung des laufenden Budgets.
  • Mehr Professoren, Personal und Ausstattung: 510 zusätzliche Millionen sollen vor allem zur Verbesserung der Betreuungsrelationen aufgewendet werden, um etwa rund 500 Professuren und wissenschaftliches Personal zusätzlich zu finanzieren.
  • Bessere Betreuungsrelationen: "Salopp gesagt" strebe man ein Betreuungsverhältnis von 1 zu 40 an, sagte Mitterlehner. In bestimmten Fächern wie in Mathematik oder Physik gebe es ohnehin schon jetzt "günstigere Situationen". In anderen hingegen, den klassischen "Massenfächern", sind die Zahlen ernüchternd: In den Erziehungswissenschaften kommen auf eine/n Professorin 123 Studierende, in den Fremdsprachen 73 und in Jus beträgt das Verhältnis 1:70, was sich dann auch in hohen Drop-out-Raten äußere, sagte der Vizekanzler.
  • Mehr prüfungsaktive Studien: Die Zahl der prüfungsaktiven Studien (53 Prozent) soll in der nächsten dreijährigen Leistungsvereinbarungsperiode bis 2021 von derzeit 182.000 auf 210.000 (62 Prozent) gesteigert werden. Als prüfungsinaktiv gelten Studien, in denen weniger als 16 ECTS-Punkte pro Jahr erbracht werden, diese Durchschnittsleistung entspricht laut Ministerium in etwa der vierfachen Regeldauer eines Bachelor- oder Masterstudiums.

An drei Schrauben will das Wissenschaftsministerium drehen, um, wie es heißt, "die Qualität des Studiums zu verbessern":

  • Eignungsverfahren: Sie sollen in allen Studienrichtungen "verbindlich ermöglicht" werden, aber "nicht beschränken". Das heißt, die Unis können Online-Self-Assessments, Motivationsschreiben oder Eignungstests mit Feedback einführen. Wenn sie das tun, dann sind sie für alle Studieninteressierten an der jeweiligen Uni auch verbindlich zu absolvieren – sie haben jedoch keine Auswirkung darauf, ob jemand ein Studium anfangen darf oder nicht. Es sei als "fundierte Entscheidungshilfe" für Anfänger gedacht.
  • Zugangsregeln: Keine Entscheidungshilfe, sondern ein Ja oder Nein für eine Studienaufnahme wird das geplante "Zugangsmanagement in Studienrichtungen mit schlechter Betreuungsrelation" bedeuten. Denn in "hochfrequentierten Studienrichtungen", so die Ministeriumsdiktion, sollen "bedarfsorientiert bundesweite oder universitätsbezogene Zugangsregelungen ermöglicht werden". Die differenzierte Vorgehensweise wird damit begründet, dass die Unis unterschiedliche Problemlagen haben. Während etwa an der Uni Wien in Politikwissenschaft die Betreuungsrelation bei 1.186 liegt, beträgt sie an der Uni Linz "ideale 1:37.

Für die Möglichkeit einer bundesweiten Platzbeschränkung müssen mindestens zwei Universitäten betroffen sein, an denen im fraglichen Studienfeld mindestens 1.000 prüfungsaktive Personen studieren. Für eine unibezogene Beschränkung müssen an dieser Hochschule mindestens 500 Prüfungsaktive betroffen sein – gleichzeitig soll aber auch eine präventive Beschränkung möglich sein, wenn binnen zweier Studienjahre gleichzeitig die Zahl der Prüfungsaktiven um 25 und jene der Studienanfänger um 50 Prozent gestiegen ist. "Die Universität soll also nicht nur reagieren, sondern auch antizipieren können", sagte Hochschulsektionschef Elmar Pichl.

Um die künftige Studienanfängerzahl in bestimmten "Massenfächern" festzulegen, sollen drei Indikatoren herangezogen und gewichtet werden. Oder, wie Mitterlehner sagte: "Wir wollen von den jetzigen Abschlüssen her das Angebot konzipieren."

Das heißt? Zu 50 Prozent soll dabei die Zahl der prüfungsaktiven Studierenden im ersten Studienjahr einfließen, zu jeweils 25 Prozent die Zahl der Studienanfänger und der Abschlüsse – jeweils im Schnitt der vergangenen fünf Jahre.

Zugangsregeln für Jus, Pädagogik und Fremdsprachen

Konkret würde das bedeuten, "dass in Rechtswissenschaften, Pädagogik und den Fremdsprachen ein gesteuerter Hochschulzugang im Sinne der Studierenden erforderlich ist", argumentiert das Ministerium. Mit Pädagogik sind die Erziehungswissenschaften gemeint.

Für Jus käme demnach eine Studienanfängerzahl von 5.000 statt derzeit 8.000 heraus. "Dort ist klar, dass wir am Anfang weniger Studierende haben werden." Das heiße aber nicht, dass es auch weniger Abschlüsse als bisher geben werde, betonte Mitterlehner: Durch die bessere Betreuung geht man im Ministerium von mehr Absolventen aus.

Ziel der Maßnahmen ist, dass ein Teil der Studierenden zum Beispiel an die Fachhochschulen, die ausgebaut werden, ausweicht beziehungsweise durch eine bewusstere Studienwahl auf andere Fächer gelenkt wird, die derzeit noch freie Kapazitäten haben. Warum nicht etwa Weltraumwissenschaft oder Ingenieurwissenschaft studieren, meinte Mitterlehner.

Die derzeit bestehenden Zugangsbeschränkungen (etwa für Medizin, Veterinärmedizin Psychologie, Publizistik, Wirtschaftswissenschaften, Biologie, Architektur, Informatik und Pharmazie) sollen bestehen bleiben. Eventuell müsse aber über die Bemessung der Studienplätze dort neu verhandelt werden, sagte Mitterlehner.

Höhere Studienbeihilfen: Als drittes Element zur Verbesserung der Studienqualität sollen die Studienbeihilfen und die Einkommensgrenzen dafür erhöht werden. Bis jetzt gibt es diesbezüglich allerdings noch keine Einigung zwischen ÖVP und SPÖ. Mitterlehner pocht dabei auf die bereits angekündigte Erhöhung der Mittel für Studienbeihilfen um 25 Millionen Euro auf insgesamt 225 Millionen Euro pro Jahr. Die SPÖ verlangte zuletzt eine deutlich höhere Aufstockung. Mitterlehner sagt, die Erhöhung sei auch "eine Frage der Machbarkeit".

Zum angestrebten Systemwechsel sagte Mitterlehner: "Jetzt wird den Studierenden vorgegaukelt, dass der Studienzugang frei ist – und dann sind sie plötzlich mit Knock-out-Prüfungen konfrontiert." Und es gebe noch einen triftigen Grund, über das Unisystem nachzudenken: "Das System wird vom Steuerzahler finanziert." Zur derzeitigen österreichischen Zugangsvariante sagte Mitterlehner: "So beliebig macht's niemand." Das geplante neue Modell sei "international ein durchaus normales System".

Mit Uniko und Finanzminister akkordiert

Jetzt muss das Modell mit dem Koalitionspartner SPÖ verhandelt werden. "Die soziale Dimension und die Erhöhung der Studienbeihilfe muss berücksichtigt werden", hieß es dazu aus dem Büro von Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ). Man sei dazu mit der ÖVP in Gesprächen – inhaltlich kommentieren wolle man diese nicht.

Zwei Seiten hat Mitterlehner bereits an Bord: Mit der Universitätenkonferenz (Uniko) und Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) ist das Konzept akkordiert. Einzelne Universitäten könnten übrigens auch noch ein paar standortspezifische Änderungswünsche deponieren, erwartet Mitterlehner. Bis Jahresende muss jedenfalls ein Beschluss fallen, damit das neue Finanzierungsmodell ab 2019 greifen kann. (Lisa Nimmervoll, 24.4.2017)