Kampfhandlungen gegen Russland oder andere slawische Nationen würden sie auf keinen Fall unterstützen: Das stellten die "Tschechoslowakischen Soldaten in Reserve gegen den von der Nato-Führung geplanten Krieg" bei ihrer Gründung 2015 klar. Es handelt sich dabei um eine von mehreren bewaffneten prorussischen Organisationen, die in Tschechien nach der Krim-Krise 2014 plötzlich entstanden sind. Derartige Phänomene sind in allen mittelosteuropäischen Ländern zu finden, wie eine Studie des unabhängigen ungarischen Forschungsinstitutes Political Capital zeigt, an der auch DER STANDARD beteiligt war.

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Bewegungen wie die ungarische Jobbik sind rechtsextrem und deutlich prorussisch eingestellt.
Foto: APA/EPA/Kovacs

Die heute, Donnerstag, publizierte Analyse vergleicht, wie kremltreue Bewegungen in Polen, Ungarn, Tschechien, der Slowakei und in Österreich an Boden gewinnen. Paramilitärische Organisationen wie die erwähnten "Soldaten gegen den Nato-Krieg" sind etwa in Tschechien, Ungarn und der Slowakei zu finden. Slowakische Rechtsextreme kämpften beispielsweise an der Seite von Separatisten in der Ostukraine, so die Studie. Außerdem wurde 2012 die Gruppe der "Slowakischen Wehrpflichtigen" gegründet, deren Mitglieder militärisch durch ehemalige Soldaten der russischen Spezialeinheit Spetsnaz ausgebildet wurden. "Unser Ziel ist Neurussland und die Anerkennung der unabhängigen Republik Donezk", sagte ein ehemaliges Mitglied dieser Gruppe zu Journalisten.

Streit über Grenzen wiederbeleben

Derartigen Organisationen, die mit Moskau kooperieren, ist gemeinsam, dass sie Gebietsansprüche in anderen Ländern geltend machen. Ziel der russischen Beeinflussungsstrategie sei es, "bittere Ressentiments aus vergangenen Gebietsstreitigkeiten" auszuschöpfen, heißt es in der Studie. Ein Beispiel dafür ist Ungarn, wo rechtsextreme Gruppen die "verlorenen Gebiete" Transkarpatien, heute in der Ukraine, und Siebenbürgen, heute Rumänien, zurück ins ungarische Staatsgebiet holen möchten. Derartige Forderungen äußerten etwa die rechtsextreme Jobbik sowie die ihr nahestehende Jugendorganisation "64 Gespanschaften" (HVIM) bei einer Demonstration vor der Botschaft der Ukraine in Budapest im Sommer 2014.

Laute Propagandakanäle

Deutlich wird, dass derartige extremistische Gruppen auch in der allgemeinen politischen Sphäre angekommen sind. Ihre Wortmeldungen werden laut Studie in allen Ländern "durch ein kräftiges prorussisches Mediennetz" verstärkt, etwa durch die Kanäle RT (vormals Russia Today) und Sputnik, von denen auch deutschsprachige Ausgaben existieren. Wie DER STANDARD bereits im Sommer 2016 berichtete, tauchten auf RT regelmäßig Mitglieder der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreichs auf.

Medienkanäle wie RT oder Sputnik interviewen oft Mitglieder rechtsextremer Organisationen.
Foto: Kochetko/Yuri

Alexander Markovics, deren ehemaliger Chef und jetziger Leiter der "Arbeitsgruppe Theorie", traf mehrmals den neofaschistischen russischen Ideologen Alexander Dugin. "Positiv an den Verhältnissen in Russland ist sicher der in der gesamten Gesellschaft weitverbreitete Patriotismus, die Förderung junger Familien, der Kampf gegen den islamischen Terrorismus sowie das Eintreten für eine multipolare Welt", erklärte Markovics vergangenen Herbst in einem Interview, das für die Studie von Political Capital durchgeführt wurde. Gerüchte, dass die Identitären finanzielle Unterstützung aus Russland oder Osteuropa erhielten, gehörten laut Markovics "in das Reich der Lügen".

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Der neofaschistische Ideologe Alexander Dugin (ganz rechts) traf sich mit Vertretern der rechtsextremen Identitären Bewegung und FPÖ-Politikern.
Foto: AP/Metzel

Enge Kontakte zur FPÖ

Mit der FPÖ tritt auch die stärkste österreichische Oppositionspartei deutlich prorussisch auf. Vergangenen Dezember unterschrieb eine Delegation der Freiheitlichen einen auf fünf Jahre ausgelegten Kooperationsvertrag mit der russischen Regierungspartei Einiges Russland. Darin hieß es etwa, dass sich beide Seiten zur "Erziehung der Jugend im Geiste des Patriotismus und der Arbeitsfreude" verpflichteten. Außerdem solle es zu einem regelmäßigen Austausch der zwei Parteien kommen.

Enge Kontakte zwischen FPÖ-Politikern und Russland oder russlandfreundlichen Staaten bestehen schon seit Jahren. FPÖ-Vizeobmann Johann Gudenus war etwa Geschäftsführer einer Firma, die auch ein Tochterunternehmen in Russland betrieb. Fragen zu diesem Unternehmen beantwortete Gudenus trotz mehrmaligen Anfragen nicht. Gemeinsam mit anderen FPÖ-Politikern nahm Gudenus auch an sogenannten Wahlbeobachtungsmissionen im russischen Umkreis statt – etwa am Referendum auf der Krim.

FPÖ-Spitzenpolitiker in Moskau: Harald Vilimsky, Heinz-Christian Strache, Norbert Hofer und Johann Gudenus (von links).
Foto: Faksimilie/Facebook

Erst Mitte April besuchten der freiheitliche Wiener Landtagsabgeordnete Wolfgang Jung und der ehemalige Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler (damals BZÖ) die Krisenregion Bergkarabach, um ein Referendum zu beobachten. Um die Region streiten sich Armenien und Aserbaidschan. "Die Einladung erfolgte durch das dortige Parlament. Es gab Beobachter aus vielen europäischen Ländern und aus Südamerika", sagt Jung im Gespräch mit dem STANDARD.

"Sie brauchen nur ein paar Leute zu fangen"

Derartige Wahlbeobachtungen nationaler Politiker gibt es in ganz Mitteleuropa. Gegen den polnischen Politiker Mateusz Piskorski wird momentan unter anderem wegen der Organisation derartiger Missionen ermittelt. Ein ehemaliger polnischer Politiker, der von Piskorski angeworben werden sollte, erklärte newsweek.pl dessen Vorgehensweise: "Piskorski hat seinen Kalender aufgemacht, der bis zum Rand mit Terminen gefüllt war: im Kaukasus, der ehemaligen Sowjetunion oder in Afrika. Er schlug vor: 'Sie können mit uns mitkommen, wann Sie wollen. Sie brauchen nur ein paar Leute zu fangen, möglichst ehemalige Parlamentsabgeordnete oder Stadträte.'" Jede derartige Mission Piskorskis soll ein Budget von bis zu 200.000 Euro zur Verfügung gehabt haben.

Kremltreue Staatsoberhäupter

Doch auch Staatsoberhäupter geben sich prorussisch: Der tschechische Präsident Miloš Zeman hat die Annexion der Krim laut Studie "mit einer Offenheit begrüßt, die kein anderer führender Politiker eines EU-Mitgliedstaates zu zeigen wagte".

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Der tschechische Präsident Miloš Zeman (links) mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Foto: APA/EPA/Druzhinin/Ria

Auch in Ungarn beobachteten die Studienautoren unter dem Premierminister Viktor Orbán eine "prorussische geopolitische Wende". Anders ist die Situation in Polen, das als einziger der untersuchten Staaten eine Grenze zu Russland aufweist. Abgesehen von Piskorski gibt es kaum prorussische Akteure in Polen. Michael Kacewicz, Journalist bei "Newsweek", und Lukasz Wenerski vom Institut für Öffentliche Angelegenheiten, die die Länderstudie über Polen verfasst haben, sehen jedoch eine auf diese Verhältnisse adaptierte russische Strategie, die Ressentiments gegen polnische Nachbarn schüren will.

Oligarchen helfen mit

Ziel der russischen Strategie in Mittelosteuropa sei es, "die Stabilität der Region im Allgemeinen und die bilateralen Beziehungen zur Ukraine im Besonderen" zu untergraben, so die Studienautoren. Diese Aktivitäten werden etwa von Oligarchen unterstützt, beispielsweise vom ultraorthodoxen Milliardär Konstantin Malofejew. Dieser hatte im Juni 2014 – am Tag des Life Balls – ein Treffen in Wien zwischen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Le-Pen-Nichte und Front-National-Nachwuchspolitikerin Marion Maréchal-Le Pen und russischen Politikern und Ideologen wie Dugin organisiert.

Abwehrmechanismen

Die Studienautoren fordern, dass derartige "klare russische Versuche, die innenpolitische Landschaft in den jeweiligen Ländern zu verändern", in diplomatischen Verhandlungen offen zur Sprache gebracht werden sollen. Außerdem müsse es zu Untersuchungen von Geldflüssen an derartige Organisationen kommen sowie Institutionen geschaffen werden, die gegen Desinformationskampagnen auftreten: Tschechien hat etwa so ein Abwehrzentrum errichtet. Die slowakische Polizei sucht nach zwölf neuen Experten gegen "russische Desinformation". In Österreich sind derartige Maßnahmen vorerst nicht geplant. (Fabian Schmid, 27.4.2017)