Großes Brocken kamen am Dienstag nicht auf den Tisch des Ministerrats. Kanzleramtsminister Thomas Drozda (rechts) beruhigte aber: In Sachen kalter Progression werde man "vor dem Sommer" zum Abschluss der Verhandlungen kommen.

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Wien – Wenig Freude damit, wie Doppelstaatsbürgerschaften derzeit gehandhabt werden, hat Regierungskoordinator Thomas Drozda (SPÖ). Man höre nur, dass derzeit einige Listen mit Namen von in der Türkei wahlberechtigten, aber in Österreich lebenden Menschen kursieren – zur Bundesregierung seien diese Listen, auf der sich möglicherweise Hinweise auf illegal vergebene Doppelstaatsbürgerschaften befinden, aber noch nicht durchgedrungen, sagt Drozda.

"Informationspflicht"

Dass man gar keinen Überblick darüber habe, wer unbefugterweise einen Doppelpass hat, sei aber "unbefriedigend", so Drozda. Er wünscht sich eine "Informationspflicht" des türkischen Staates: Die Türkei soll demnach die österreichischen Behörden informieren, wenn ein ehemals türkischer und jetzt österreichischer Staatsbürger wieder die türkische Staatsbürgerschaft angenommen hat, also illegal zum Doppelstaatsbürger geworden ist.

Der Vorstoß ist aber nicht mehr als eine vage Idee. Denn denkbar wäre eine solche Pflicht zur Auskunft nur in Form eines bilateralen Abkommens – und dass es dazu kommt, ist alles andere als realistisch.

Diese Erdogan-Gegner auf einer Demo in Wien besitzen, sofern sie es wissen, keine türkische Staatsbürgerschaft mehr. Trotzdem geben sie eher den türkischen Behörden als den Menschen die Schuld an den unbefugten Doppelstaatsbürgerschaften.
derStandard.at

Türkei lässt Doppelstaatsbürgerschaften zu

Die Türkei ist zu einem solchen Pakt wenig motiviert, zumal das türkische Recht Doppelstaatsbürgerschaften zulässt und die Regierungspartei AKP ein durchaus reges Interesse an solchen Einbürgerungen hat. Zudem hat es in der Vergangenheit bereits mehrmals solche bilateralen Gespräche gegeben. Doch auf die Aufforderung, Österreich die entsprechenden Informationen zu liefern, wurde nie eingegangen.

Für Missstimmung mit Ankara sorgten in der Vergangenheit immer wieder größere kurdische und AKP-kritische Demonstrationen in Wien. Eine Kundgebung "gegen Stimmenmanipulierung in der Türkei" gab es auch Dienstagnachmittag in Wien.

Reformen verschoben

Von größeren Reformen sah der Ministerrat am Dienstag ab. Eigentlich hatte man sich größere Reformprojekte für den April vorgenommen, sie wurden nun verschoben. So etwa die Abschaffung der kalten Progression, also dem schleichenden Ansteigen der Steuerlast durch das inflationsbedingte Rutschen in höhere Steuerstufen. Aus dieser Reform wurde vorerst nichts: Erst gestern habe man darüber verhandelt und sich sogar "sehr weit angenähert", betont Drozda, es fehle aber eben noch ein Konsens in wichtigen Punkten. SPÖ und ÖVP streiten seit längerem darüber, wer von der Steuerentlastung profitieren soll. Einen neuen Zeitplan nannten die Regierungskoordinatoren am Dienstag nicht. Nur so viel: "Vor dem Sommer" solle die Reform stehen, sagte Drozda.

Kundgebung "gegen Stimmenmanipulierung in der Türkei" in Wien.
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Aufgeschoben wurde auch das Arbeitsmarktprogramm "Aktion 20.000". Damit sollen Jobs für ältere Langzeitarbeitslose geschaffen werden – ab 1. Juli in einigen Modellregionen, ab 2018 dann im ganzen Land. Doch auch hier sind sich SPÖ und ÖVP noch nicht einig. Ein Streitpunkt soll sein, ob auch der öffentliche Dienst Jobs für Ältere schafft. Die SPÖ ist dafür, die ÖVP eher dagegen. Noch nicht beschlussreif ist auch die jüngste Strafrechtsreform. Nach einiger Kritik an der Neufassung des Staatsfeinde-Paragrafen will Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) hier noch nachjustieren. (Maria von Usslar & Christa Minkin, Text: Maria Sterkl, 25.4.2017)