Wiebke Szymczak (26) ist Dissertantin an der Universität Liechtenstein.

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Vaduz – Was immer Menschen tun – total rational sind ihre Beweggründe selten. Selbst in vermeintlich vernunftgetriebenen Lebensbereichen wie dem Aktienhandel beeinflussen Umgebungsreize, nebensächliche Details und sonstige mit der etablierten Entscheidungstheorie kaum fassbare Triebfedern unser Verhalten.

In einem Experiment für ihre Doktorarbeit am Institut für Finanzdienstleistungen der Universität Liechtenstein hat Wiebke Szymczak gemeinsam mit ihrem Kollegen Martin Angerer beispielsweise untersucht, ob und wie es sich auf die Entscheidungen ihrer Probanden auswirkt, wenn diese für ihre Aktiengeschäfte mit Bargeld oder virtuellem Geld ausgestattet werden. Obwohl beide Gruppen identische Werte als Spielkapital erhielten, waren die Bargeld-"Besitzer" signifikant risikoscheuer als jene Teilnehmer, die "nur" ihre virtuellen Mittel aufs Spiel setzten. "Anscheinend hat die 'Greifbarkeit' von Werten einen großen Einfluss auf unsere Risikobereitschaft", resümiert die geborene Hamburgerin. "Das sollten auch Politiker bedenken, die das Bargeld abschaffen wollen."

Wie leicht wirtschaftliche Entscheidungen allein durch die Art der Informationsdarstellung am Handelsbildschirm gelenkt werden können, dokumentierten die beiden Forscher in einem anderen Experiment: Je mehr Reize auf dem Bildschirm gezeigt wurden, desto aktiver handelten die Probanden – obwohl die Menge und Qualität der verfügbaren Informationen unverändert blieben.

Lange gingen Wirtschaftswissenschafter davon aus, dass Menschen in ökonomischen Belangen im Großen und Ganzen rational agieren und Informationen richtig verarbeiten. Eine Prämisse, die Szymczak schon früh anzweifelte: "Immerhin bin ich ein Kind der Krise!", sagt sie. "Schon in meinem Maturajahr 2008 konnte ich beobachten, was auf den Finanzmärkten passiert, wenn Risiken systematisch falsch bewertet werden." Im Rahmen ihres Volkswirtschaftsstudiums in Hamburg und Schanghai hat sie sich in der Folge intensiv mit der verhaltensorientierten Finanzmarkttheorie auseinandergesetzt. Als deren Mitbegründer Robert Shiller 2013 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, fühlte sich die ambitionierte Studentin ermutigt, selbst in diesem Forschungsfeld aktiv zu werden. Mit der "behavioral financial theory" hatte Shiller schon Jahre vor der großen Finanzkrise auf das irrationale Verhalten der ökonomischen Akteure hingewiesen und dieses in seine Analysen einbezogen.

Dass sich Szymczak für ihre Dissertation die Uni Liechtenstein aussuchte, hat dagegen rein rationale Gründe: "Zum einen werden hier meine Forschungsthemen bearbeitet, zum anderen kann man an dieser jungen Universität sogar als Doktorand schon mitgestalten", sagt die 26-Jährige.

Die herrliche Landschaft als Überraschungsgeschenk brachte letztlich aber doch noch einen beachtlichen Emotionspegel ins Spiel: "Ich dachte, ich bin im Paradies gelandet, als ich hier ankam!", schwärmt sie. Aufgewachsen ist sie in Hamburg und Flandern, mit einer belgischen Mutter spanischen Ursprungs und einem deutschen Vater mit polnischen Wurzeln. Der Wechsel vom "rauen, reservierten Norden" in den sanften Süden sei ihr ziemlich leicht gefallen. (Doris Griesser, 30.4.2017)