Einen Tag nachdem in über 500 Städten weltweit beim "March for Science" für Fakten und gegen Fake-News demonstriert wurde, konnten sich Teilnehmer und Unterstützer über ein Zeichen der Hoffnung freuen. Der Erfolg von Emmanuel Macron ist auch ein Sieg über gezielt eingesetzte Falschinformation, zumal laut einer Studie der Oxford University ein Viertel aller in den letzten Wahlkampftagen via Twitter verbreiteten Meldungen über die Kandidaten falsch war und die mit Abstand meisten Verleumdungen Macron betrafen.

Es besteht also Hoffnung, dass der Unterschied zwischen Meinung und Lüge noch nicht völlig irrelevant geworden ist und der Begriff "alternative Fakten" als ähnliche Idiotie erkannt wird wie "Minuswachstum".

Doch verblüffenderweise gibt es auch Akademiker, die mit der Forderung ihrer demonstrierenden Kollegen nach einer "faktenorientierten Gesellschaft" Probleme haben. Zum Beispiel Dr. Tassilo Wallentin, der in einem Kronen Zeitungs-Kommentar die geplante Reform der heimischen Presseförderung ablehnt, weil ein darin vom Gesetzgeber geforderter "sorgsamer Umgang mit sozialen Netzwerken" gegen die Verbreitung von Fake-News gerichtet wäre und somit "Meinungen, die nicht dem Mainstream entsprechen", verhindern könnte.

Das wirkt zunächst ein wenig undankbar, angesichts einer ebenfalls geplanten künftigen Presseförderung für alle Boulevardmedien. (Sollte die kommen, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis der Österreichische Astrologenverband Subventionen aus dem Wissenschaftsfonds verlangt und der Videokanal Youporn um Filmförderung ansucht.) Möglicherweise ist Wallentin, bei seiner Sorge wegen der erschwerten Verbreitung von Fake-News, sein Hemd als persönlicher Anwalt H.-C. Straches näher als der von ihm fest umklammerte Rockzipfel der Familie Dichand.

Nicht leicht nachvollziehbar ist auch die Überschrift des Kommentars: "Journalismus ist, etwas zu veröffentlichen, was die Mächtigen nicht wollen." Eine eigenwillige These. Wenn der STANDARD heute schreibt, dass Außerirdische Zwettl mit radioaktivem Kryptonit verseucht haben, werden das vermutlich nicht nur die Bewohner Zwettls, sondern auch "die Mächtigen" nicht so toll finden. Ob es deswegen Journalismus ist, sei dahingestellt. Dr. Tassilo Wallentin behauptet weiters, sich mit dieser Schlagzeile auf ein George-Orwell-Zitat zu beziehen. Für dessen Echtheit existiert aber keine einzige Quelle. Ist das also der paradoxe Versuch, Fake-News mithilfe von Fake-News zu verteidigen?

Die Erklärung erschließt sich erst aus dem Zusammenhang. Da es einen Unterschied macht, ob man Götz von Berlichingen auf einer Theaterbühne zitiert oder bei einer Verkehrskontrolle, muss man sich auch das Umfeld des Wallentin-Kommentars ansehen. Er erschien in einer Sonntags-Krone mit vom Land Niederösterreich bezahltem Werbecover plus ganzseitigem Inserat sowie einer doppelseitigen redaktionellen Huldigung an Johanna Mikl-Leitner und ihren Gatten. Blättert man diese um, erblickt man den wallentinesken Spruch vom Journalismus, der veröffentlicht, was die Mächtigen nicht wollen. Chapeau für diese raffiniert getarnte Satire! (Florian Scheuba, 26.4.2017)