Ein bisschen hiervon, ein wenig davon. Das ist das Konzept von Multi-Asset-Fonds. Mit der breit aufgestellten Selektion von Wertpapieren soll das Risiko des Investments minimiert werden.

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STANDARD: Dem Trump-Trade geht die Luft aus. Was werden an den Börsen die nächsten Themen sein?

Kretschmer: Die Hoffnungen aufgrund der Ankündigungen von Donald Trump sind in den Märkten eingepreist. Man muss aber auch sagen, dass die Umsetzung von politischen Absichten Zeit braucht. Interessant wird in diesem Zusammenhang auch die Entwicklung des Dollars. In Europa bestimmen die Wahlen und der Brexit die Stimmung. Die vorgezogenen Wahlen in Großbritannien werden eine Weichenstellung sein, denn nach den Wahlen wird man Farbe bekennen müssen, in welche Richtung die Brexit-Verhandlungen gehen. Die Frage, wie man es dann mit Schottland und Irland hält, wird auch Thema sein.

STANDARD: Halten Sie einen Frexit für möglich?

Kretschmer: Man kann Dinge nie ganz ausschließen. Ich halte aber ein solches Szenario nicht für wahrscheinlich. Die Unterstützungserklärungen zum zweiten Wahlgang zeigen derzeit eine bessere Ausgangslage für Emmanuel Macron. Das wäre positiv für die Wirtschaft und das Umfeld. Wenn Le Pen das Rennen macht, hat man mit erhöhten Volatilitäten auf den Märkten zu rechnen. Im Juni kommen in Frankreich die Parlamentswahlen. Sowohl im Fall eines Sieges von Macron als auch eines Sieges von Le Pen besteht die Gefahr, dass im Parlament eine Mehrheit zustande kommt, die vielleicht nicht ident ist mit den Vorstellungen des französischen Präsidenten.

STANDARD: Die geopolitischen Risiken sind derzeit hoch – Stichwort Nordkorea, die Volatilität aber gering. Haben sich die Börsen entpolitisiert?

Kretschmer: Bei politischen Börsen tut man sich immer schwer. Aber bei Nordkorea oder auch den Ereignissen in der Türkei ist die Widerspiegelung an den Märkten eine sehr maßvolle. Aber die USA sorgen unter dem neuen Präsidenten Trump immer wieder für Fragezeichen. Die Wachstumsprognosen sind derzeit aber recht gut. Der Einkaufsmanagerindex in den USA ist stark gestiegen. Auch in Europa hellen sich die diesbezüglichen Kennziffern auf. Das unterstützt die positive Stimmung. Die Gefahr ist aber gegeben, dass wir uns mittelfristig auf eine erhöhte Volatilität einstellen müssen.

STANDARD: Die Fed hat für heuer zwei Zinsschritte angekündigt, an den Märkten ist bisher nur einer eingepreist. Erwarten Sie daher Überraschungen von der Zinsseite?

Kretschmer: Wir erwarten zinsseitig keine Überraschung. In Europa gehen wir davon aus, dass die EZB noch keinen Zinsschritt macht – erst im Lauf des nächsten Jahres.

STANDARD: Wie sollen sich Anleger in diesem Umfeld aufstellen?

Kretschmer: Die Anleger haben uns deutlich gezeigt, wo ihre Wünsche liegen. Das niedrige Zinsumfeld hat dem Thema des regelmäßigen Ertrags einen höheren Stellenwert eingebracht. Immer öfter wird auf Multi-Asset-Lösungen gesetzt, mit denen man in hohem Maß Diversifikation herbeiführen kann. Zudem legen Anleger immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit.

"Die Gefahr ist natürlich gegeben, dass wir uns mittelfristig auf eine erhöhte Volatilität einstellen müssen."
Foto: Pioneer Investments

STANDARD: Das klingt nach einer sehr aktiven Anlegercommunity. Zugleich gilt das Sparbuch immer noch als das beliebteste Anlagevehikel, trotz Nullzinses ...

Kretschmer: Wir haben in Österreich mit 169 Milliarden Euro derzeit ein Alltime-High beim veranlagten Fondsvolumen (inkl. Performancezuwachs, Anm.). Vor der Krise lag dieses bei 167 Mrd. Euro. Weltweit liegt man längst weit über den Volumina, die man vor der Krise gesehen hatte. Dass das Sparbuch dennoch so beliebt ist, hängt mit der Altersstruktur der Anleger zusammen, die über Geldmittel verfügen. Die Österreicher sind im Vergleich zu anderen Nationen auch eher risikoavers. Zudem gab es in Österreich über Jahrzehnte mit dem Sparbuch eine gute Rendite. Im Vergleich zu einem risikolosen Zinssatz gab es sogar eine Überrendite, auch daher hat das Sparbuch seinen hohen Stellenwert. Aufgrund der Veränderung des allgemeinen Umfeldes sehen wir, dass Anleger nach Alternativen suchen. Wir sehen das auch im Fondsgeschäft, wo Multi-Asset-Fonds ein Comeback feiern. Sie sind die Gewinner bei den Volumenzuwächsen.

STANDARD: Vertreter Ihrer Branche kritisieren oft, dass das politische Umfeld kapitalmarktfeindlich ist. Wie schätzen Sie das ein?

Kretschmer: Ich würde mir wünschen, dass das politische Umfeld im Vergleich zu Ländern in West-, aber auch in Osteuropa dem Thema langfristiger Vermögensaufbau mehr Aufmerksamkeit widmet und es steuerlich begünstigt. Beispiel Ungarn: Hier gibt es steuerliche Begünstigungen im Bereich der Altersvorsorge, wenn man länger als fünf Jahre anspart.

STANDARD: Sehen Sie in der aktuellen Regierung ein Signal in diese Richtung?

Kretschmer: Wir hören immer wieder Signale in dieser Richtung. Bis dato hat sich das aber noch nicht realisiert. Aber ich bin Optimist. Gut Ding braucht Weile, und das wird hoffentlich mittel- bis langfristig zu einem guten Ergebnis führen.

STANDARD: Der französische Asset-Manager Amundi übernimmt nach der Bawag KAG nun auch Ihr Haus. Was heißt das für die Kunden und den Standort in Wien?

Kretschmer: Wir werden durch die Zusammenfassung von Pioneer in Amundi ein Anbieter sein, der europaweit die Nummer eins wird und weltweit die Nummer acht. Wir haben dann eine noch größere Plattform und ein Mehr an Produktlösungen. Die Welt wird immer herausfordernder, und hier ist es für die Kunden auch wichtig, Partner zu haben, die über ein entsprechendes Know-how und eine entsprechende Bandbreite an Lösungen verfügen. Ich sehe diese Integration sehr positiv. Zu den anderen Punkten kann ich aufgrund der laufenden Transaktion nichts sagen. (Bettina Pfluger, 30.4..2017)