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Die verstorbene 17-Jährige war nicht geimpft, ihre Eltern vertrauten auf Homöopathie.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Während die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor der "Rückkehr der Masern" angesichts steigender Infektionszahlen warnt, schockt die erste tödliche Masern-Erkrankung binnen mehr als zwei Dekaden Portugal. Einhergehend setzt eine heftige Debatte gegen Impfgegner und die von ihnen forcierten Zweifel unter Eltern ein. In einer Unterschriftenkampagne fordern mehr als zehntausend Portugiesen vom Gesundheitsministerium die Einführung von Pflichtimpfungen gegen Masern.

Denn die 17-jährige Jugendliche, die am 19. April in einem Spital in Lissabon an Lungenentzündung – eine der vielen schweren Komplikationen, die mit der Infektionskrankheit einhergehen können – verstorben war, war nicht gegen Masern geimpft. Weil sie an Schuppenflechte litt, argumentieren dies ihre Eltern. Sie hätten zudem stets einen Homöopathen aufgesucht. Angesteckt hatte sich die 17-Jährige bei einem 13-monatigen Kleinkind, wie auch sechs weitere Kinder. Darunter die jüngere Schwester der Verstorbenen. Sie ist derzeit im Krankenhaus und weist Symptome auf. Geimpft war auch sie nicht.

10.000 bis 15.000 Kinder sind in Portugal auf Wunsch ihrer Eltern nicht gegen Masern oder andere Infektionskrankheiten geimpft. Ein "verglichen mit etwa Italien enorm geringer Wert", betont der Generaldirektor des Gesundheitsdienstes, Francisco George. Die Masern waren in Portugal quasi ausgerottet. Dank massiver Impfkampagnen bereits seit Mitte der 1980er-Jahre mit dem in zwei Dosen verabreichten MMR-Impfstoff (Masern, Mumps, Röteln). Seit Jahresbeginn zählte man in Portugal 87 Masern-Verdachtsfälle, weitaus mehr als in den Jahren zuvor. 25 wurden seither bestätigt, drei in der Vorwoche. Zwölf neue Verdachtsfälle werden zurzeit untersucht.

Situation stabilisieren

In sozialen Netzwerken wurden die Eltern der Verstorbenen heftig kritisiert und attackiert. Der sozialistische Gesundheitsminister Adalberto Campos Fernandes (PS) rief die Bevölkerung zur Besonnenheit auf. Man müsse "niemanden öffentlich lynchen". Überdies gebe es "keinerlei Anlass zu Besorgnis", sucht der Minister zu beruhigen: Man befände sich "am Anfang der Stabilisierung der Situation". Zugleich verwehrt er sich noch dagegen, den Todesfall als Anlass zu nehmen, landesweit eine Pflicht zur Impfung per Gesetz zu verankern. Viel wichtiger sei es, Spekulationen und Gerüchte auszuräumen und wissenschaftliche Beweise – deren Erfolg unumstößlich sind – zu akzeptieren.

Denn dass Eltern, die Impfungen kritisch gegenüberstehen, bevorzugt mit Gleichdenkenden frequentieren, sorgte für einen besonders weitreichenden Verlauf eines Masern-Ausbruchs im südspanischen Granada (2010–2011). Der "einzig und allein ideologische Gründe" hatte, wie eine Eurosurveillance-Studie der Mediziner um Eulalia Navarro von 2013 belegt. Ausgehend von einer Schule im Stadtteil Albaicín – bekannt für seine Bewohner, die einen alternativen Lebensstil pflegen – mit 308 Fällen. Die Impfquote an der Schule lag unter 60 Prozent. Der Gesundheitsdienst Andalusiens (SAS) griff im Kerngebiet der Infektion zur Maßnahme der Pflichtimpfung.

Schulen sind alarmiert

Portugals Schulen und Kindergärten, aber auch das Gesundheitsministerium warten hiermit noch zu, sind aber landesweit alarmiert. Optimistisch zeigt sich George: "Bei einer Impfquote von 96 Prozent unter Kindern ist eine Epidemie auszuschließen." Portugal hält zudem eine "strategische Reserve" an 200.000 Impfdosen für alle unter 40-Jährigen bereit. Wer diese Altersschwelle überschreite, ist kaum noch anfällig für die Erreger. Aktuell arbeitet der Gesundheitsdienst an einem aktualisierten Zensus geimpfter Kinder und Jugendlichen.

Auch im benachbarten Spanien ist man wachsam, selbst wenn man 2016 hier nur 39 Masern-Fälle zählte. Immerhin waren es in den vergangenen vier Jahren aber über 2.800 Fälle. Das Gros davon steht im Zusammenhang mit den Fällen in Granada und wenig später auch im nahen Sevilla (1.759) im Jahr 2011. (Jan Marot aus Lissabon, 30.4.2017)