Eigentlich war die Nachricht aus Brüssel eine gute für die Zentraleuropäische Universität (CEU). Die EU-Kommission startete am Mittwoch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn, weil das neue Hochschulgesetz, das den Fortbestand der CEU infrage stellt, womöglich gegen EU-Recht verstößt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kam in der Causa am Donnerstag in Brüssel mit CEU-Gründer George Soros zusammen.

Allein die EU-Verfahren gegen sündige Mitgliedsländer sind eine langwierige Angelegenheit. Briefe werden hin- und hergeschickt, Fachjuristen beider Seiten kreuzen ihre feinen Klingen, ehe die Causa überhaupt zum Europäischen Gerichtshof (EGH) wandert.

Vom Gesetz ins Aus gedrängt

Da können Jahre ins Land ziehen, bis es zu einem verbindlichen Richterspruch kommt. Zeit, die die Budapester Top-Uni nicht hat. Denn das ungarische Gesetz ist so formuliert, dass es die CEU zwangsläufig ins Aus drängt. Dafür sorgen willkürliche neue Auflagen – etwa dass Unis aus Nicht-EU-Ländern im Herkunftsland eine voll funktionsfähige Mutter-Universität haben müssen – und kaum erfüllbare Fristen.

Scheitert die CEU an den Auflagen, darf sie ab dem 1. Jänner 2018 keine neuen Hörer mehr aufnehmen. Es ist ein Anlassgesetz, das Ungarns rechtspopulistischer Premier Viktor Orbán, der Erbauer eines "illiberalen Staates", ersonnen hat. Er vermeint, damit dem ungarischstämmigen Soros, einem Anhänger und aktiven Förderer der offenen Gesellschaft und liberalen Demokratie, schaden zu können.

Die Chancen schwinden

Gleichfalls am Mittwoch stellte sich Orbán der Debatte im Europaparlament. Er blieb dabei isoliert, machte aber nichtsdesto weniger klar, dass er an der "Lex CEU" festzuhalten gedenkt. Die EU-Kommission hatte auch gefordert, dass die Orbán-Regierung mit der CEU in Verhandlungen treten möge, um einen Ausweg zu finden, der die Schließung der Hochschuleinrichtung abwendet. Anzeichen dafür, dass dies geschieht, gibt es vorerst nicht. Das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission schreckt Orbán nicht. Seit Amtsantritt 2010 hat er eine Unzahl von ihnen überlebt, meist indem er sie aussaß.

So schwinden die Aussichten, dass sich die CEU in Ungarn wird halten können. "Die Chancen, dass die CEU in ihrer gegenwärtigen Form in Budapest bleibt, betragen derzeit weniger als 50 Prozent", erklärte CEU-Vizerektor Zsolt Enyedi am Mittwochabend im privaten Fernsehkanal RTL Klub. Im besten Falle würden ein paar Lehrgänge und Teile der Bibliothek in Budapest zurückbleiben, sagte er. (Gregor Mayer aus Budapest, 27.4.2017)