Führt über die Sinnlichkeit in ein dichtes Assoziationsgeflecht: Kathleen Ryans Installation "Bacchante" im Wiener Theseustempel.

Foto: KHM-Museumsverband

Wien – Seit einigen Jahren nutzt das Kunsthistorische Museum den Theseustempel im Wiener Volksgarten als Schauplatz für Gegenwartskunst. Bei Präsentationen von Edmund de Waal, Susan Philipsz oder zuletzt Ron Mueck erwies sich der klassizistische Bau immer wieder als Ort, der auf besondere Weise zur Konzentration und Kontemplation einlädt.

Ob es möglich ist, in diesem sanft vom Tageslicht durchfluteten Ort, dieser entschleunigten Nische im urbanen Grünen, eine richtig schlechte Präsentation zu zeigen? An diesem Ort, der alles unweigerlich magisch auflädt, und wo die griechische Mythologie nie fern ist? Wir werden sehen. Atmosphärisch gelungen ist jedenfalls auch die aktuelle Schau der US-amerikanischen Künstlerin Kathleen Ryan (geb. 1964).

Gleichsam wie auf einem Altar bietet sich die Skulptur Bacchante dar. Eine Traube luftballongroßer "Weinbeeren" aus Beton, verbunden durch Ketten, ist auf einem Podest drapiert. Dass der Beton poliert ist, verleiht ihm eine (frucht-)fleischliche Anmutung. Es ist zunächst die Unvereinbarkeit von Materialität und Formgebung, die hier für Spannung sorgen mag, salopp gesagt: die Gleichzeitigkeit von hart und weich.

Der Titel der Skulptur verweist indes auf Anhängerinnen des Bacchus, des griechischen Gottes des Weines respektive des Exzesses. Tatsächlich war die Darstellung einer Bacchantin ein wesentlicher Einfluss Ryans: Das Gemälde Bacchante with an Ape (1627) von Hendrick ter Brugghen zeigt eine Dame beim koketten Ausquetschen praller Weintrauben. Das Verlangen, die Spannung und die "juicyness", die sich in diesem Gemälde vermittelten, habe sie in ihrem Objekt einzufangen versucht, sagt Ryan, die nicht nur an der Universität von Kalifornien Kunst, sondern außerdem Archäologie studierte.

Traube und Kaminrohr

Ryans Weintrauben sind also durchaus als monumentales Symbol für weibliche Sinnlichkeit zu lesen – gebrochen allerdings durch die verwendeten industriellen Materialien. Könnten die Ketten dazu führen, dass man an jene Stahlkugeln denkt, mit denen Häftlinge an der Flucht gehindert werden, so besteht das orange Podest seinerseits aus Kaminrohr-Modulen: Als industrielle Massenprodukte stehen diese im Kontrast zu den manuell per Silikonform gegossenen "Ballons".

Möglich und naheliegend ist es aber auch, in Ryans Traube eine menschliche Figur zu sehen. Kurator Jasper Sharp verweist hier etwa auf eine Marmorskulptur aus dem Pariser Museé d'Orsay, die eine lasziv (oder auch weinselig?) überstreckt auf einem Podest liegende Frau zeigt.

Dass Ryans Referenzbilder nicht mit ausgestellt sind, ist schade. Tatsächlich vermittelt sich das Assoziations- und Spannungsgeflecht, das hier zuvorderst eröffnet werden soll, aber auch schon auf der körperlich-sinnlichen Ebene. Als erfüllt – jedenfalls kuratorenseitig – kann man daher auch Sharps Anspruch betrachten, dass das Objekt im Theseustempel der heterogenen Zielgruppe der Volksgarten-Besucher gerecht werden solle. (Roman Gerold, 28.4.2017)