Im neuesten Jahresbericht von Reporter ohne Grenzen ist die Türkei noch einmal vier Punkte heruntergefallen auf Platz 155 – hinter die Demokratische Republik Kongo und vor das Sultanat Brunei. Nicht dass dies die türkische Führung sonderlich störte. Auch renommierte NGOs aus dem Westen nimmt sie nicht mehr ernst. Doch die Abkehr vom Prinzip der Pressefreiheit hat gravierende Folgen für die türkische Gesellschaft und ebenso für das Ausland: Die Türkei wird eine Blackbox. Unzugänglich und schwer verständlich.

Wie in allen autoritär strukturierten Regimen ist auch die politische Führung in der Türkei keinesfalls an Transparenz und offenem Dialog, schon gar nicht an Rechenschaft interessiert. In den USA mag Donald Trump, der Geschäftsmann, der Präsident wurde, langsam einsehen, dass er den Kampf gegen die Medien nicht gewinnen kann. In der neuen Türkei von Tayyip Erdoğan oder etwa in den mit ihr verbundenen turksprachigen Diktaturen weiter im Osten ist das natürlich anders. Der Zyklus der Verdummung läuft ohne zu große Störungen.

Eifersucht der Deutschen

In Plappersendungen und Lobpreismedien, im Nachbet-Unterricht auf den Schulen und durch gleichgeschaltete Hochschulsäle surrt täglich die türkische Erfolgsmaschine. Minister können sich hinstellen und, ohne rot zu werden, erklären, die Eifersucht der Deutschen auf den bald fertiggestellten gigantischen Flughafen in Istanbul sei der wahre Grund für die so dramatische Verschlechterung der Beziehungen zu Europa. Oder der Neid auf die dynamische Politik der Türkei in Afrika, auf die Führungsstärke Erdoğans oder aber die angebliche Rückkehr des Nationalsozialismus in Europa. Ein großer Teil der türkischen Bürger findet das völlig einleuchtend.

Der andere Teil liest und schaut im Internet. Das reicht zur Formierung einer Neben- und Nischengesellschaft in der Türkei, nicht aber für den normalen Diskurs einer Demokratie. Ganz abgesehen davon, dass regierungskritische Nachrichtenportale flugs geschlossen werden, wenn es jemandem im Führungszirkel zu viel wird.

Bezahlte Schreiber für Erdoğan

Denn die türkische Regierung nutzt selbstverständlich auch Internet und soziale Medien, um ihre Macht zu zementieren. Erst nach und nach ist ihr vielleicht fürchterlichstes Instrument verstanden worden: die Troll-Armee. Bezahlte, in Partei und Behörden organisierte, oder aber private, die Regierung als Einzelkämpfer unterstützende Schreiber machen auf Twitter und Facebook Kampagne für ihren Präsidenten.

Ihr Einfluss und ihre Schnelligkeit sind so groß, dass sie nicht nur regierungskritische Stimmen in der türkischen Gesellschaft rasch mundtot machen. Die Troll-Armee der Gleichschreiber ist auch für die türkischen Politiker ein ernstzunehmender Faktor geworden. Dissens innerhalb der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Fortschritt (AKP), den es gibt, wird durch die Trolle im Zaum gehalten. Wer eine Meinung äußert, die nicht ganz auf der Linie der Partei liegt, kann im Handumdrehen öffentlich geächtet, tausendfach als korrupt oder verkapptes Mitglied der Gülen-Bewegung denunziert werden.

Dass Politiker der türkischen Regierungspartei, selbst Minister den Kontakt mit ausländischen Medien scheuen, ist eine Folge des repressiven Klimas. Der schnelle Niedergang der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei ist ein Lehrbeispiel des modernen autoritären Regierens. (Markus Bernath, 27.4.2017)