Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) waltet seines Amtes.

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Wien – Beim Handshake nach der Pressekonferenz kam ein Glas zu Fall und Wasser tränkte das nigelnagelneue Weißbuch des Kulturministers. Ein schlechtes Omen? Schon öfter sind Reformversuche zur Umorganisation der 2002 ausgegliederten Bundesmuseen gescheitert. Nach der Causa Agnes Husslein wurde der Ruf nach einer solchen vorigen Sommer wieder einmal konkret.

Eine von Thomas Drozda (SPÖ) eingesetzte siebenköpfige Expertengruppe setzte sich daraufhin sechsmal zusammen und mit der Materie auseinander. Am Freitag wurde das daraus hervorgegangene "Weißbuch Österreichische Bundesmuseen/Nationalbibliothek" präsentiert. Die beteiligten Anwesenden waren sich einig: Die Bundesmuseen stehen im Grunde gut da. Zu ihnen gehören die Albertina, Kunsthistorisches Museum, Belvedere, MAK, Mumok, Naturhistorisches Museum und Technisches Museum sowie die Nationalbibliothek.

Bestandsaufnahme

Bloß Drozda dämpfte ein wenig: "Ich verhehle nicht meine Unzufriedenheit mit dem Status quo." Zwar hätten sich in den 15 Jahren seit der Ausgliederung die Besucherzahlen nahezu verdoppelt und auch die Zahl der Führungen, der Eigendeckung (plus zehn Prozent) und Mitarbeiter sei gestiegen. Beim Sammlungsaufwand (- 40 Prozent), Restaurierungen (- 20 Prozent) und Forschung (- 2 Prozent) gab es hingegen Rückgänge. "Ein Befund, den man ernst nehmen muss."

Auf die Organisationsebene bezogen betrifft die Kritik einen schlechten Informationsaustausch zwischen einzelnen Organen und das Fehlen eines einheitlichen Berichtswesens, von Synergien und Kooperation zwischen den Häusern sowie langfristiger Planungen.

"Nachjustierung" beim "Kastldenken"

Als Analyse und Diskussionsgrundlage setzt das "Weißbuch" sich aus zwei Teilen zusammen. Zuerst aus einem von der Expertengruppe erarbeiteten inhaltlichen Teil. Wolfgang Muchitsch und Bettina Habsburg-Lothringen (beide Universalmuseum Joanneum), Alexander Horwath (Direktor des Fuilmmuseums), Herwig Kempinger (Secessions-Präsident), Peter Kostelka (ehemals Volksanwalt), Danielle Spera (Direktorin des Jüdischen Museums) und Edelbert Köb (Ex-Mumok-Direktor) treffen darin vier Empfehlungen, die sich mit der Mängelliste des Ministers decken. Es gehe um "Nachjustierung, Schärfung, bessere Profilbildung der Museen", so die neben Muchitsch anwesende Spera.

Konkret zu Diskutierendes folgt im zweiten, aufbauend von der Integrated Consulting Group erstellten organisatorischen Abschnitt. Eines von acht dort geprüften Organisationsmodellen hat es Drozda als "evolutionärer" Schritt besonders angetan: Eine Super-Holding soll es demnach nicht geben, aber ein "Strategisches Beteiligungsmanagement" durch das Bundeskanzleramt, unterstützt von einem international besetzten wissenschaftlichen Beirat.

Soll heißen, Drozda holt sich die Museumsdirektoren näher: eine zur Bundesmuseenkonferenz umgebaute Direktorenkonferenz soll regelmäßige Sitzungen unter dem Vorsitz des Ministers abhalten und dort "tatsächlich" diskutieren, sich inhaltlich austauschen und abstimmen. Statt "Kastldenken" (Spera) soll das auch Transparenz bringen. Oder wie Muchitsch es formulierte dazu führen, "sich ein bisschen mehr in die Karten schauen zu lassen", denn jetzt arbeiteten die Bundesmuseen mit sehr starkem Vertrauensvorschuss des Ministers. Diese Chance gegenüber einer Holding sollten die "beteiligten Personen nützen" und "kooperativer im Umgang miteinander werden."

"Verantwortung als Eigentümer"

"Welche Ausstellungen passieren, das wird das Ministerium nicht entscheiden", so Drozda, aber es würde die Prozesse moderieren, denn "man kann sich ja nicht aus der Verantwortung als Eigentümer herausnehmen." Jedenfalls könnte er ein Machtwort sprechen – etwa wenn es um die Bestellung eines gemeinsamen Wirtschaftsprüfers ginge. Denn zwar müsse man sich besprechen, "aber um es deutlich klarzustellen", so Drozda, "am Ende ist es immer die Entscheidung des Ministers, ob‘s passiert oder nicht, weil er ist der Eigentümer".

Es soll so ein System aus "Checks und Balances" entstehen. In den Häusern würde etwa Rolle des jeweiligen Kuratoriums gestärkt werden. Dabei will Drozda aber die "hohe Motivation" der einzelnen Direktoren bewahren, von denen zuletzt etwa Klaus Albrecht Schröder von der Albertina mit dem Essl-Dauerleihgabe-Deal auch innerhalb der Expertengruppe für Unruhe gesorgt hat. Solche Alleingänge sollen durch die regelmäßigen Treffen der Bundesmuseenkonferenz wohl ausbleiben, so der Plan. Auch einem Verwässern der Museumsprofile und doppelten Ausstellungen zu Themen etwa ließe sich so – durch Einsicht oder Vorgabe – gegengewirken. Aber "zeitgenössische Kunst war nicht unser Hauptanliegen", so Spera darauf angesprochen, "sondern Cluster zu bilden, inhaltliche Zusammenspiele".

Gesetzliche Verankerung

Eine Dachmarke für die Bundesmuseen hält Drozda nicht für sinnvoll, eine Eingliederung des Staatsarchivs in die neue Organisationsform plant er aber schon.

Rechtliche Grundlagen sollen mit einer Novelle des Bundesmuseen-Gesetzes noch vor dem Sommer in Begutachtung gehen beziehungsweise Anfang kommenden Jahres dann in Kraft treten.

Reaktionen

Erste Kritik kommt vom Grünen Kultursprecher Wolfgang Zinggl. Denn zwar "decken" sich die Reformvorschläge "zu einem Gutteil mit den Grünen Vorschlägen", doch würden die "Spitzengehälter" der Museumsdirektoren durch die präsentierten Pläne ebenso wenig begrenzt wie der gratis Eintritt erweitert oder wäre dadurch "die Finanzierung der Dauerleihgabe der Sammlung Essl (…) zu verhindern". Zu Holdingvorschlägen meint er, "dieses Damoklesschwert ist erfreulicherweise nur noch Option einer entfernten Zukunft." (Michael Wurmitzer, 28.4.2017)