Architekt der Grazer Murinsel – Vito Acconci.

Foto: Kern

New York – Ein Leben lang hatte der in der Bronx geborene Allroundkünstler Angst vor Flugzeugen. In seinem Brief an einen Unbekannten (1971) schrieb er vor einem Flug: "Im Falle meines Todes darf dieses Kuvert von der erstbesten Person geöffnet werden. Sie wird die Freiheit haben, mein Apartment und all seine Inhalte – auf welche Art auch immer – frei zu nutzen." Über den nun aktuell gewordenen Brief und seinen Finder ist nichts bekannt. Nun ist Vito Acconci, dessen Leben seine Frau Maria Acconci als "eine einzige Möbiusschleife" bezeichnet, 77-jährig in New York gestorben.

Poesie und Performances

Schon während seines Literaturstudiums findet Acconci den Weg zur Poesie, gibt das Literaturmagazin 0 to 9 heraus, verlässt diesen Bereich aber, als er merkt, dass er dafür "zu nervös, zu ruhelos" ist. Er widmet sich der performativen Kunst und führt in dieser Zeit, die er als "eine Art Fieber" bezeichnet, Auftritte und Performances in Galerien und öffentlichen Räumen durch. Bekanntheit erlangte er 1972 mit Seedbed, als er unter einem Holzboden in der Sonnabend Gallery in SoHo mit dem Publikum kommunizierte und das Mikrofon nicht einmal beim Masturbieren auf Off stellte.

Die meisten seiner folgenden Performances wurden nicht dokumentiert, verschwanden so im Äther der Zeit. Erst mit dem Bauen brachte er sich wieder aufs Tapet der Medienwelt. 1992 schuf Acconci mit Steven Holl eine bewegliche Fassade für die Art and Architeture Gallery in SoHo. Mit Courtyard in the Wind entwickelte er einen drehbaren, mit Windkraft angetriebenen Gartenweg in München. Zum Grazer Kulturhauptstadtjahr 2003 setzte er seine weltberühmte Murinsel in den Fluss.

Pläne für Wien

"Was mich immer geärgert hat, ist die Lage der Murinsel", sagte Acconci im STANDARD-Interview. "Ich hatte an eine Insel gedacht, die frei in der Flussmitte schwimmt, rundherum von Wasser umgeben ist. Doch der Wasserstand ist zumeist so niedrig, dass die Insel mehr einer stehenden Brücke als einem schwimmenden Objekt gleicht." Auch in Wien plante er eine Brücke, eine über den Wienfluss, doch das Projekt wurde gestoppt.

In den letzten Jahren definierte sich der ehemalige Künstler Acconci, der sich zuletzt vor allem mit Vorträgen und Lehrtätigkeit über Wasser hielt, in erster Linie als Designer. "Design ist alltäglicher, es ist mitten im Leben", sagte er. "Ein Messer, eine Gabel und einen Löffel zu entwerfen macht mich heute glücklicher, als Kunst zu machen." Acconci hinterlässt, ohne je einen Brieföffner entworfen zu haben, ein großes immaterielles Erbe. (Wojciech Czaja, 1.5.2017)