18 Prozent der Menschen in Österreich sind armuts- oder ausgrenzungsgefährdet.

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Wien – 18 Prozent der österreichischen Wohnbevölkerung oder 1.542.000 Menschen waren im Vorjahr von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen. Die Zahlen sind Teil der SILC-Erhebung (Community Statistics on Income and Living Conditions) und wurden am Dienstag von der Statistik Austria veröffentlicht, die die Österreich-Daten für die EU-weite Studie erfasst. Der Anteil der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten sank demnach seit 2008 um 157.000 Personen oder 2,6 Prozentpunkte. Berücksichtigt werden alle Personen, die in eine oder mehrere der drei SILC-Zielgruppen fallen:

  • "Armutsgefährdung": Diese Kategorie erfasst Menschen in Haushalten, die über weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens verfügen. Diese EU-definierte Schwelle unterschreitet in Österreich, wer in einem Einzelhaushalt einen Monat mit weniger als 1.185 Euro netto bestreiten muss. 592 Euro werden für jeden weiteren Erwachsenen im Haushalt addiert und 355 Euro für jedes Kind unter 14 Jahren. 14,1 Prozent der Einwohner lebten in solchen Haushalten.
  • "Erhebliche materielle Deprivation": Hier gibt es keine Grenzwerte, Betroffene werden darin kategorisiert, wenn sie vier oder mehr von neun Aussagen zur Leistbarkeit von Alltäglichem verneinen müssen: etwa die Wohnung angemessen zu heizen, einmal im Jahr eine Woche zu reisen oder eine Waschmaschine zu besitzen. Das trifft laut Stichprobenbefragung von 6.000 Haushalten auf drei Prozent der hiesigen Bevölkerung zu. 2008 waren es noch 5,9 Prozent.
  • "Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität": Ein solcher Haushalt schöpft weniger als 20 Prozent seines Erwerbspotenzials aus – berechnet auf Grundlage aller 18- bis 59-jährigen Personen im Haushalt mit Ausnahme von Studierenden. Bestehende Vermögen werden nicht berücksichtigt. 8,1 Prozent der in Österreich wohnhaften Menschen zählen zu dieser Gruppe.

In ausschließlich eine dieser drei Kategorien fallen 13,7 Prozent der Bevölkerung, 4,3 Prozent in zwei oder alle drei. Verknüpft mit der jeweiligen Haupttätigkeit bestätigt sich die naheliegende Annahme eines engen Zusammenhangs zwischen Job und finanzieller Absicherung: Zehn Prozent der Erwerbstätigen, aber 57 Prozent der Arbeitslosen sind mit sozialer Ausgrenzung konfrontiert.

Je länger die Arbeitslosigkeit dauert, desto höher die Risikoquote: 27 Prozent bei weniger als sechs Monaten, 79 Prozent bei mehr als einem Jahr. Von allen Pensionisten sind 16 Prozent gefährdet, von allen in Ausbildung befindlichen Personen 29 Prozent. 8,3 Prozent gelten als "Working Poor", sind also trotz Arbeitsstelle nicht nur sozial ausgegrenzt, sondern armutsgefährdet.

Österreich 5,6 Prozentpunkte unter EU-Schnitt

Erhoben werden die Zahlen zur Messung der Meilensteine der "Europa 2020"-Strategie. Alle EU-Mitgliedstaaten erhielten 2010 Vorgaben, und Österreich erfüllt sie vergleichsweise gut: Während der EU-Schnitt bei 23,6 Prozent und damit mehr als fünf Prozentpunkte über dem österreichischen Wert liegt, hatten im Vorjahr nur sechs Staaten niedrigere Anteile armuts- oder ausgrenzungsgefährdeter Menschen – am geringsten waren sie in Tschechien, Schweden und den Niederlanden, am höchsten in Griechenland, Rumänien und Bulgarien.

Bei der Präsentation der aktuellen Zahlen für Österreich waren auch Sozialminister Alois Stöger und Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (beide SPÖ) anwesend. Stöger verwies hinsichtlich der Strategien für eine weitere Senkung der Zahlen auf die Aktion 20.000, die über Förderungen vor allem ältere Langzeitarbeitslose zurück in den Arbeitsmarkt bringen soll. Rendi-Wagner drängte neben dem zweiten Gratis-Kindergartenjahr auf den Ausbau von Krippen für unter Dreijährige und bessere Öffnungszeiten in den Betreuungseinrichtungen.

Die NGO Armutskonferenz erkannte in einer Aussendung, dass zwar "einige Armutsindikatoren seit 2008" sinken, hunderttausende Betroffene seien in einem "so reichen Land wie Österreich in jedem Fall zu viel". Caritas-Präsident Michael Landau sagte: "Auch wenn sich in Österreich die Situation leicht entspannt, dürfen wir uns jetzt keinesfalls zurücklehnen." Er pochte einmal mehr auf eine einheitliche Regelung der Mindestsicherung in allen Bundesländern. "Neun Länder, neun Strategien: Das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein." (Michael Matzenberger, 2.5.2017)