Fehlfarben 1980. Am 9. Mai spielen sie in Wien ihr Debütalbum "Monarchie und Alltag".

Foto: Richard Gleim

Wien – Was für Buchtitel Gesetz ist, gilt für Songtexte ebenso. Finden sie Eingang in die Alltagssprache, ist das ein Qualitätszeichen, das nicht selten mit kommerziellem Erfolg einhergeht. Das 1980 erschienene Album Monarchie und Alltag der Band Fehlfarben übererfüllte diese Vorgabe.

37 Jahre nach seinem Erscheinen ist zwar kein rundes Jubiläum in Sicht, aber was gibt Punk schon auf so etwas? Also werden die Fehlfarben ihr Debütalbum am 9. Mai im Wiener 21er-Haus zur Gänze aufführen. Zum zweiten Mal. Denn schon im Mai 1980 gastierten sie an selber Stelle im Rahmen der damaligen Wiener Festwochen.

Ein Ausschnitt zum Fehlfarben-Konzert im damaligen 20er Haus im Jahr 1980.
21erHaus

Das war vor Jahren. In einer Zeit, in der bei dem Begriff Netz noch an Omas Haarknödel oder Fischer auf einem Boot gedacht wurde, erschienen die Texte des Peter Hein wie magische Formeln aus einer fremden Welt. Gleichzeitig gab es mit der eigenen erstaunlich viele Überschneidungen. Hein formulierte assoziative Slogans innerhalb des Reimzwangs, die den Alltag beschrieben und gleichzeitig in ihm aufgingen.

Das zynische "Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran", ist die wohl bekannteste Zeile aus den schwarzen Rillen dieses Albums, gefolgt vom "Grauschleier über der Stadt" und vielen anderen, die sich die Neigungsgruppe begierig aneignete und in ihrem Wortschatz speicherte. Über Die Kunst des Zitats sinnierte die Band in dem gleichnamigen Lied zwei Alben später, auf dem 1983 erschienenen Glut und Asche.

Existenzielle Dringlichkeit

Zur Zeit der prosperierenden Neue Deutschen Welle fiel die Kunst der aus dem Punk kommenden Düsseldorfer Band auf fruchtbaren Boden. Doch wo die Neue Deutsche Welle oft nicht mehr war als höherer Unfug oder progressive Schlagermucke, punkteten die Fehlfarben mit existenzieller Dringlichkeit. Ihr Treibstoff war die Sehnsucht, der Herzschmerz. Ihre Kunst bezeugte die Geburt des Zorns, den Amok nach dem Abitur.

Dennoch blieben die Irrtümer nicht aus, und ihre Plattenfirma beschloss, die Fehlfarben in Richtung NDW zu vermarkten. Das Lied Ein Jahr (Es geht voran) landete so in der Hitparade sowie auf diversen NDW-Samplern, wo es ein ähnlich exotisches Dasein fristete wie Der Räuber und der Prinz von der befreundeten Formation Deutsch Amerikanische Freundschaft (DAF).

NewVaveGermany80

Der Qualität des Albums tat das keinen Abbruch, und im Laufe der Jahre verkaufte es sich über 250.000-mal und festigte so auch über schnöde Zahlen das Bewusstsein, dass man es bei Monarchie und Alltag mit einem der besten Alben der deutschen Popgeschichte zu tun hat, dessen Wirkmacht etliche nachkommende Gruppen nachhaltig beeinflusste, Stichwort: Hamburger Schule.

Bonjour Tristesse

Das Cover bildet ein Stück Tristesse ab: An der Feuermauer eines gesichtslosen Nachkriegsbaus hängt ein Plakat, das das Leben auf der Fernsehcouch anpreist. Was dem Kleinbürgertum in Helmut Schmidts Deutschland als Verheißung gegolten haben mag, erschien den Fehlfarben als Drohung. Die Farbgebung des Bildes wirkt kränklich, der Himmel ist rosa, man vermeint das Odeur von Schimmel gepaart mit dünnem Filterkaffee wahrzunehmen.

Ihre Wurzeln im Punk überführten Fehlfarben in einen Stil, der Heins Texte hart, aber eingängig bettete. Niederschwelliger Funk traf auf knappe Gitarrenriffs, sogar ein Saxofon durfte sein.

Titel wie Apokalypse, Das war vor Jahren oder Paul ist tot kündeten von einem Aufbruch in eine neue Zeit. Zwar waren die Texte durchwirkt von der Unsicherheit ihres gerade 23-jährigen Sängers, doch alles schien besser als das repressive Nachkriegsklima in Deutschland, in dem abstoßend viele Übriggebliebene aus der guten alten Zeit es sich gerichtet hatten. Das Milieu dieses Aufbruchs beschrieb der deutsche Autor Jürgen Teipel in seinem 2001 erschienenen Buch Verschwende deine Jugend.

Düsseldorf war damals eine Keimzelle des deutschen Punk, dessen Protagonisten die Bands wechselten wie Casanova seine Hemden. Die vielen Querverbindungen einer sich eben erst formierenden Szene resultierten in der Coverversion Militürk. So nannten Fehlfarben ihre Interpretation von Kebab Träume der DAF.

Wie der Musik der Deutsch Amerikanischen Freundschaft konnte der Zahn der Zeit Fehlfarbens Monarchie und Alltag nichts anhaben. Die Band formulierte ein Lebensgefühl, das zwar Kind einer bestimmten Zeit war, doch die Zutaten dieses Gefühls sind zeitlos. Heins zerrissenes Herz in All That Heaven Allows überzeugt heute noch ebenso wie das wütende Gottseidank nicht in England. Punk ist schließlich keine Mode, es ist eine Haltung. In diesem Sinne. (Karl Fluch, 3.5.2017)