Am Brunnenmarkt gibt es jetzt "Afrodisiaca": eine Pizza, die um 19,50 Euro über die Budel geht.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Reichhaltig, aber reichlich zufällig belegter Teigfladen: Jakobsmuscheln, violette Erdäpfel (?), Artischocken, getrocknete Meeräschen-Bottarga und auch noch ein Patzerl Burrata obendrauf.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Bei Wolfgang Puck in Beverly Hills steht die Lachspizza mit 28 Dollar auf der Karte. Insofern ist die Preispolitik der Ottakringer Pizzeria Sofi, wo ein Fladen 19,50 Euro kosten darf, eh sehr zivil. So wirklich kann der Yppenplatz noch nicht mit Hollywood mithalten – trotz Gentrifizierung. Aber im Ernst: Noch mehr Wirtshäuser gehen sich hier schon aus Platzgründen kaum aus.

Die Pizzeria mit dem teuersten Teigfladen der Stadt ist zwar in dem Sinn kein Neuzugang, weil sie – bei gleichbleibenden Betreibern – das bisherige Ando Fisch ersetzt. Als Symptom für die grassierende Goldgräberstimmung darf sie gleichwohl gelten. Dass viele Lokale abseits des Wochenendes ziemlich leer sind, passt dazu. Nicht missverstehen: Für gute Hütten wie das ganz frische, neokurdische Mani (gute Weine, grandios würzige Rindfleischrollen!) oder das als Beisl revitalisierte Café Engelmaier/Berger ist immer Bedarf. Aber ein Lokal, das die quintessenziell proletarische Pizza als Bling-Bling-Vehikel propagiert?

Auf den ersten Blick hat sich das Ambiente des nüchternen Zweckbaus kaum verändert: Neuer Schriftzug, ein paar bunte Zementfliesen an der Wand, rechts vom Eingang steht nun ein gasbefeuerter Pizzaofen – das war's. Sogar die weiße Tischwäsche ist unverändert. Sie mag in einer Pizzeria deplatziert wirken, soll aber eventuell die happigen Preise rechtfertigen.

Wobei: Die Margherita um 8,20 Euro ist kaum teurer als in der Disco Volante. Ihr Teig ist fest und elastisch, der Belag aus zermerscherten San-Marzano-Paradeisern, Basilikum und Mozzarella Fior di Latte tadellos. Die Aufmerksamkeit gilt hier aber den luxuriösen Toppings: Trüffel, Culatello-Rohschinken, Lardo di Colonnata, Eselsalami oder auch luftgetrocknete Bottarga aus Sardinien. Was man als teures DOC-Produkt aus dem Nobelfeinkostler kennt, wird hier auf die Teigfladen gestreut. Dazu kommen zwei offenbar unvermeidbare Versatzstücke zentraleuropäischer Italien-Sehnsucht: roher Thunfisch und Jakobsmuschel.

Manchmal funktioniert das sogar: Die "Squisita" etwa bietet neben geschmorten Melanzani, Piennolo-DOC-Paradeisern und Basilikumpesto hauchdünn geschnittenen, rohen Thunfisch, der erst nach dem Backen aufgelegt wird. Er kann sich angesichts solch brachialer Aromen zwar nur als Textur einbringen – das aber auf angenehme Art.

Bei der "Saporita" mit Bufala-Mozzarella, Salsiccia, Cime di rapa, Erdäpfelwürfeln und Lardo di Colonnata hingegen geht "Derf's a bisserl mehr sein" als Prinzip nicht auf: Der Fettspeck ist sehr salzig und flachsig, die Salsiccia derb und zu schüchtern angebraten, der zartbittere Stängelkohl kann sich dem kaum entgegenstemmen.

Pizza Playboy

Endgültig skurril wird es bei der als "Afrodisiaca" bezeichneten teuersten Pizza im Angebot, die an aufgemotzte Mittelklasseautos auf der nahen Ottakringer Straße erinnert – nicht nur wegen des aus Mozzarella geschnitzten Playboy-Logos auf dem reichhaltig, aber (siehe Bild) reichlich zufällig belegten Teigfladen: Jakobsmuscheln, violette Erdäpfel (?), Artischocken, getrocknete Meeräschen-Bottarga und, damit es an Schmier nicht fehle, auch noch ein Patzerl Burrata obendrauf. Geschmacklich will dieser Mischmasch leider nicht zueinanderfinden. Die Muscheln geraten, weil vor dem Backen auf die Pizza gelegt, zu zähem Gummi, das salzfischige Aroma der Bottarga wirkt neben dem zarten Mozzarella laut und ordinär, die Konsistenz der Artischocken drängt sich strohig in den Vordergrund. Weshalb man sich nach dem ersten Bissen wünscht, doch bei der bescheidenen Margherita geblieben zu sein. (Severin Corti, RONDO, 5.5.2017)