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Wie lange kann eine Kindheit sein? Im Fall von Walter Benjamin (1892–1940) ist sie gedruckt keine 120 Seiten und akustisch etwas mehr als zwei Stunden kurz.

Das Werk des Berliner Kritikers, Essayisten, Philosophen, Übersetzers wird von seinem tragischen Schicksal, mündend im Freitod als Flüchtling an der französisch-spanischen Grenze, überschattet. Im Pariser Exil, zwischen 1933 und 1938, schrieb er Erinnerungen an seine großbürgerliche Kindheit in Berlin vor und nach der vorletzten Jahrhundertwende auf.

1950 erstmals erschienen, ist Berliner Kindheit um 1900 ein Kaleidoskop in drei Dutzend Texten, bezirzende Blitzlichter kleiner Dinge, belebter Sachen, Ereignisse und Miniabenteuer, geschrieben in einer elastischen Sprache. Der Schauspieler Felix von Manteuffel leiht dieser asketischen, weil auf jede mögliche Ablenkung verzichtende Produktion des Schweizer Radios seine Stimme. Abwechslungsreich und aufmerksam liest er diese Hochaufmerksamkeitsprosa, wohl einer der schönsten Einstiege in Benjamins Werk. (Alexander Kluy, Album, 3.5.2017)