Österreichische Parteien fürchten Kampfabstimmungen auf Parteitagen oder Vorwahlen für Parteichefs und Spitzenkandidaten. Was in Frankreich und anderen EU-Staaten Routine ist, wird hierzulande als Einladung zu Grabenkämpfen und Spaltungen gesehen, die eine Partei im Wettbewerb um Stimmen schwächen.

Wenn man sich die klaglosen Hofübergaben in Ober- und Niederösterreich ansieht, dann kann man diese Haltung verstehen. Thomas Stelzer und Johanna Mikl-Leitner können dankbar dafür sein, dass sie keine Gegenkandidaten hatten und dass es auch in den beiden VP-Landesorganisationen kaum Debatten über die zukünftige Ausrichtung gibt. Man mag den Mangel an Diskussionskultur zwar beklagen, aber beide Neolandeshauptleute sind für zukünftige Wahlkämpfe besser gerüstet, als wenn sie erst interne Rivalen hätten besiegen müssen. Und auch das Beispiel der Wiener Grünen zeigt, wie ein Übermaß an Basisdemokratie eine Partei schwächen und ihrer Regierungsfähigkeit berauben kann.

Aber das heißt nicht, dass der Verzicht auf Abstimmungen einer Partei stets guttut. Ist sie bereits gespalten, dann braucht es demokratische Verfahren, um eine ehrliche Entscheidungsfindung zu ermöglichen.

Unübersehbare Spaltung

Das gilt vor allem für die Wiener SPÖ. Die Spaltung in zumindest zwei Flügel ist unübersehbar – in der Flüchtlingsfrage, im Umgang mit der FPÖ, in der Wirtschaftspolitik, auch im Stil und Ton. Das hätte auf dem Parteitag viel Stoff für spannende Debatten und Wahlen hergegeben. So wäre es sinnvoll gewesen, wenn sich mehr Kandidaten für den Parteivorstand beworben hätten und die Mitglieder hätten abstimmen können, wer in diesem Gremium sitzen soll.

Stattdessen wurde durch eine Einheitsliste Einheit vorgegaukelt, die es nicht gab. Die einzige Chance für das Fußvolk, seine Meinung zu äußern, war es, einzelnen Funktionären das Misstrauen auszusprechen. Und weil Vertreter beider Flügel fürchten mussten, dass sich die andere Seite nicht an ein Stillhalteabkommen halten und die Zahl der Streichungen dann als Signal für den künftigen Parteikurs gewertet werden würde, kam es zu dieser destruktiven Streichorgie, die nun der Partei – vom Bürgermeister bis hin zum Kanzler – maßgeblich schadet.

Konflikt muss ausgefochten werden

Dieser Konflikt muss ausgefochten werden, spätestens wenn Michael Häupl geht. Und dafür braucht es offene Debatten und eine Wahl zwischen mehreren Kandidaten. Eine Persönlichkeit, die alle Flügel hinter sich vereinen kann, ist nicht in Sicht.

Dass Michael Ludwig ein Drittel der Partei gegen sich hat, heißt nicht, dass er als Häupl-Nachfolger nicht infrage kommt. Aber er wird sich gegen Vertreter des linken Lagers durchsetzen müssen. Vorwahlen oder eine Kampfabstimmung auf einem zukünftigen Parteitag sind für die Partei besser als ein schwacher Kompromisskandidat.

Auch in der Bundes-SPÖ wäre die Enttäuschung vieler Linker über Christian Kern weniger groß, wenn er sich einer echten internen Wahl gestellt hätte, statt per Akklamation der Landeschefs eingesetzt zu werden (bevor die Entscheidung von den Gremien abgesegnet wurde). Ebenso sollte der ÖVP-Richtungsstreit zwischen Reinhold Mitterlehner und der Kurz/Lopatka/Sobotka-Fraktion nicht per Geklüngel ausgetragen werden.

Wer eine Abstimmung verliert, muss sich hinter den Sieger stellen – was manchen Grünen schwerfällt. Aber die Scheu vor interner Demokratie stellt Parteien, die im demokratischen Wettbewerb stehen, kein gutes Zeugnis aus. (Eric Frey, 2.5.2017)