Die Industriewelt verändert sich rasant: Helmut Leopold vom AIT.

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STANDARD: Ohne Industrie kein Wohlstand – trifft diese Aussage im 21. Jahrhundert auch noch zu?

Helmut Leopold: Wenn man das auf die Fabrik alten Stils bezieht, nicht mehr; in einem neuen, breiteren Verständnis von Industrie trifft das sicher zu.

STANDARD: Hat nicht längst schon die Informationstechnologie (IT) die tragende Rolle in der Industrie übernommen?

Leopold: Der Einzug der IT in die Industrie beginnt erst. Bisher hatten wir verschiedene Systeme nebeneinander – Telefonnetze, Software samt Steuerung und Produktionsprozess, die zunehmend computerisiert wurden. Nun steht der nächste Schritt an, alles wird mit allem vernetzt, Maschinen kommunizieren mit Maschinen. Das erzeugt einen großen Veränderungsdruck.

STANDARD: In welche Richtung?

Leopold: Einerseits ist es ein Segen, weil wir mit den neuen Technologien einen Hebel in der Hand haben, viele drängende Probleme anzugehen. Durch die maschinelle Steuerung von Produktionsprozessen kann man knappe Ressourcen länderübergreifend zielgerichteter und damit viel effizienter einsetzen. Der Verschwendung, die oft unbewusst passiert, wird ein Riegel vorgeschoben. Umgekehrt müssen wir die Maschinen, die wir weltweit bauen, auch zu beherrschen lernen.

STANDARD: Die Autoindustrie sticht besonders hervor. Ist das zufällig oder ein Hinweis darauf, dass sie bei dem Thema Vernetzung weiter ist als andere Industrien?

Leopold: Die Autoindustrie hat schon vor 20 Jahren begonnen, dem Wunsch der Kunden nach maßgeschneiderten Produkten mehr und mehr Rechnung zu tragen. Du, Kunde, kannst dir alles aussuchen, vom Teppich über die Farbe bis zu anderen Ausstattungsfeatures, wurde suggeriert. In einer Produktion diese Vielfalt zu managen ist eine Herausforderung für jedes Unternehmen. Der Autoindustrie, und da hat sie sicher einen Vorsprung gegenüber anderen Industrien, ist es gelungen, das kostengünstig zu machen. Auch wenn die Vielfalt letztlich nur eine scheinbare ist, wie der Einsatz gleicher Plattformen oder Motoren in verschiedenen Modellen zeigt.

STANDARD: Es scheint so zu sein, dass technologische Revolutionen viel schneller ablaufen als politische Prozesse und dass Parlamentarier zunehmend die Kontrolle verlieren. Lässt sich dagegen etwas tun?

Leopold: Man kann vorausschauend handeln und sich nicht erst eine Lösung überlegen, wenn das Problem schon da ist. Es ist ja nicht so, dass ein Produkt, eine neue Technologie von einem Tag auf den anderen kommt. Beim Smartphone gab es auch zehn Jahre Vorlauf. Dennoch hat man verabsäumt zu überlegen, welche Konsequenzen das hat und welche Vorkehrungen zu treffen sind. Beim Auto ist es klar, dass man einen Führerschein braucht und dass man sich versichern muss. Einen Führerschein für das Handy hingegen haben wir gar nie angedacht, obwohl das, wie die Praxis zeigt, notwendig wäre.

STANDARD: Wie ist es um die Arbeitsplätze der Zukunft bestellt, wenn Roboter zunehmend Aufgaben übernehmen, die bisher Menschen gemacht haben?

Leopold: Die Qualität und Art der Arbeit wird sich ändern, einfache Tätigkeiten, wie tausendmal dasselbe Loch zu bohren, werden jetzt schon unabhängig von neuen Technologien in Länder ausgelagert, wo Menschen für sehr wenig Geld das machen. Andererseits steigt der Bedarf an gut ausgebildeten Mitarbeitern. Die Roboter müssen auch gebaut, die Software muss geschrieben werden. Das entspricht auch mehr dem, was uns eigen ist, nämlich kreativ zu sein. (Günther Strobl, 6.5.2017)