Es ist kurz nach acht Uhr, vor dem Wiener Hilton herrscht reges Treiben. Aber es sind keine Geschäftsmänner und -frauen, die hier nervös an einer Zigarette ziehen, obwohl viele von ihnen auch Anzug und Krawatte oder Hosenanzüge tragen, sondern Jugendliche. In wenigen Stunden werden sie insgesamt 18 Bewerbungsgespräche führen – pro Unternehmen haben sie dafür nur sieben Minuten Zeit. Kein Wunder, dass die Nerven verrückt spielen.

Foto: Hendrich

Songs und Softdrinks

Oben im ersten Stock ist noch mehr los. Aus einem Raum dröhnt laute Musik – wäre es zwölf Stunden später, man würde meinen, in einem Clubbing gelandet zu sein. Die Jugendlichen bedienen sich an Brötchen und Softdrinks, an den Wänden leuchten Sprüche wie "Das ist der perfekte Tag – wenn du ihn dazu machst".

Zwischen Firmenvertretern und Bewerbern sieht man immer wieder den Initiator des Events hin und her rennen. Bernhard Ehrlich möchte dem Missmanagement bei der Lehrstellenvermittlung – offene Stellen auf der einen Seite und hohe Jugendarbeitslosigkeit auf der anderen – den Kampf ansagen. Deswegen auch das spezielle Format, denn es geht um möglichst viel Output in begrenzter Zeit. Viele der Jugendlichen haben Fluchthintergrund, bewerben konnte sich aber prinzipiell jeder. Ein Mindestniveau an Deutsch war dafür notwendig und vor allem – das betont Ehrlich immer wieder – "der hundertprozentige Wille". Durch eine Kooperation mit dem AMS konnten hunderte Junge erreicht werden, die mittlerweile im Recruiting-Raum Platz nehmen.

Keine Zeit verlieren

Pro Unternehmen warten jeweils vier Ansprechpersonen auf die Jugendlichen. Einige Hotels sind vertreten, Möbelhäuser, der Einzelhandel, und auch wer sich für eine technische Lehrberufe interessiert, hat einige Gesprächspartner. Die zu besetzenden Stellen sind teilweise seit Monaten offen – manche Unternehmen kommen mit einem Angebot von mehreren Dutzend Lehrstellen.

Nach einem kurzen Handshake wird rasch die Bewerbungsmappe überreicht – darin befinden sich eigens in einem Vorbereitungsworkshop erstellte Lebensläufe und Zeugnisse in 18-facher Ausführung –, und das Gespräch beginnt. Es ist laut – bei 72 gleichzeitig stattfindenden Bewerbungsgesprächen keine Überraschung.

Foto: Hendrich

Nicht nur für die Bewerber ist das Format eine Herausforderung – auch die Recruiter bewegen sich auf neuem Terrain. "Es ist sehr spannend, so viele junge Menschen in so kurzer Zeit kennenzulernen", sagt Jasmin Fuchs von C&A. Bis vor wenigen Jahren war sie selbst noch in der Lehre, davor habe sie mehrere Schulen abgebrochen. Bei einer im Nebenraum stattfindenden Diskussion spricht sie den Bewerbern deswegen Mut zu – mit Einsatz und Wille sei alles möglich. Keine Angst haben, Engagement zeigen und einfach man selbst sein – diese Tipps hören die Jugendlichen an diesem Tag gleich mehrere Male. Selbst Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) meldet sich vor dem Startschuss per Live-Zuschaltung mit motivierenden Worten.

Foto: Hendrich

In den Nachmittagsstunden hat der Trubel schon etwas abgenommen. Gerade ist die zweite Gruppe mit den Speed-Gesprächen fertig, Menschen strömen sichtlich erleichtert aus dem Raum. "Das war ganz schön anstrengend, aber es hat sehr viel Spaß gemacht", sagt Khaled Jarkas. Er ist vor drei Jahren aus Aleppo nach Wien gekommen und seit einiger Zeit auf der Suche nach einer Lehrstelle. Der 19-Jährige ist zuversichtlich, dass die Veranstaltung eine Zusage nach sich ziehen wird. Jarkas möchte eine Lehre als Kfz-Mechaniker absolvieren.

Viele Freiwillige Helfer

Neben ihm steht Mohammad Mahmud, auch er kommt aus Syrien, ist seit zwei Jahren da. "Es war gut, aber anstrengend", sagt der 26-Jährige, der sich für den gleichen Bereich wie Jarkas interessiert. Dass er sich auch mit Recruitern aus ganz anderen Unternehmen unterhalten musste, sei der einzig negative Punkt. Auch ein paar Unternehmensvertreter bemängeln, dass alle Jugendlichen alle Stationen durchlaufen mussten – so seien einige dabei gewesen, die klipp und klar gesagt hätten, kein Interesse zu haben. An dem Modus will Ehrlich aber nicht rütteln, die vielen Möglichkeiten seien ja gerade das Asset der Veranstaltung. In wenigen Wochen gibt es Runde Zwei. Der Initiator hofft dafür auf Förderungen. Für den Ablauf haben dieses Mal zahlreiche Freiwillige gesorgt.

Foto: Hendrich

Gegen 21 Uhr werden die Letzten aus dem Recruiting-Raum kommen, 5.400 Gespräche haben dann stattgefunden. "Ich habe hunderte Bewerbungen ausgeschickt. Gemeldet hat sich fast niemand", sagt eine Teilnehmerin zu einer anderen. "Es war cool, so direkt ins Gespräch zu kommen. Hoffentlich wird's was." Auch Ehrlich ist zufrieden: "Selbst aus der schwierigsten Zielgruppe – Mädchen mit Kopftuch – haben viele einen weiteren Vorstellungstermin bekommen. Das ist eine kleine Sensation." (lhag, 4.5.2017)