So klingen Erfolgsmeldungen: Seit Hartz IV im Jahr 2003 beschlossen wurde, ist die Beschäftigung um elf Prozent gestiegen. Doch das scheinbare Erfolgsmodell ist schnell entzaubert: In Österreich nämlich, wo es kein Hartz IV gibt, war der Beschäftigungsanstieg mit 15 Prozent deutlich höher. Offensichtlich steht Österreich also um einiges besser da als von der WKÖ behauptet. Dass sich die Mythen über die positive Arbeitsmarktentwicklung in Deutschland derart hartnäckig halten, beweist nur, dass Hartz IV im Marketing um einiges erfolgreicher ist als in der tatsächlichen Performance.
Ja, es stimmt, dass in Deutschland trotz geringeren Beschäftigungswachses die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist. Das hat zwei ganz einfache Gründe: Erstens ist die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in Deutschland von 2005 bis 2015 um vier Prozent geschrumpft, während sie in Österreich im gleichen Zeitraum um vier Prozent gewachsen ist. Es gibt also schlicht in Deutschland weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter. Zweitens hat sich Deutschland spätestens ab der Krise 2008 auf seine eigentlichen Stärken besonnen: hohe betriebsinterne Flexibilität durch eine gut funktionierende Sozialpartnerschaft.
So wurde Kurzarbeit vereinbart, statt massenhaft Leute zu entlassen, Urlaubs- und Zeitguthaben wurden abgebaut und aktive Maßnahmen zur Sicherung der Beschäftigung gesetzt. Auch Österreich hat solche Schritte gesetzt. Das war auch der Grund, warum Österreich zu den ersten Ländern gehörte, bei denen sowohl die Beschäftigung als auch die Industrieproduktion nach dem Einbruch von 2008/09 wieder auf Vorkrisenniveau zurückkehrte und sogar darüber hinaus anstieg.
Hartz IV hat dazu allerdings rein gar nichts beigetragen. Es hat aber eine Menge Probleme verursacht. Während man durch Hartz IV gezwungen wird, sämtliche Rücklagen aufzulösen, bevor man Unterstützung erhält, ist das bei der Notstandshilfe in Österreich nicht der Fall. Wenn sich WKÖ oder Innenminister Sobotka mit ihren Forderungen nach Sozialabbau durchsetzen, würde der Verlust des Arbeitsplatzes schnell auch den Verlust der Wohnung, des mühsam erarbeiteten Hauses oder sämtlicher Ersparnisse bedeuten. Es ist einigermaßen erstaunlich, dass just die Kräfte, die sich mit Zähnen und Klauen gegen Vermögens- oder Erbschaftssteuern wehren, keine Minute zögern, Menschen, die ihren Job verloren haben, zu enteignen.
Dass seit Hartz IV die Armut trotz Arbeitsmarkterholung steigt, sollte eine Warnung sein. Für unsere Nachbarn bleibt zu hoffen, dass sie sich künftig nicht nur in Sachen Pensionssystem an Österreich ein Beispiel nehmen, sondern auch bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung. (Bernhard Achitz, 4.5.2017)